Zur Geschichte und Zielsetzung des Bürgervereins Mittel- und Unterwiehre e.V.

Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Wiehre nach Freiburg eingemeindet, war aber bis in das letzte Drittel des Jahrhunderts eher ländlich besiedelt: Tagelöhnerhäuser und Nebenerwerbslandwirtschaft prägten das Bild der nach jahrzehntelangen kriegsbedingten Zerstörungen erst Mitte des 18. Jahrhunderts wieder aufgebauten Wiehre. Einige wenige Häuser aus dieser Zeit finden sich z.B. in der Kirchstraße.

Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, dessen Ziel die Reichsgründung war, kam es wegen der französischen Reparationszahlungen und der Angliederung von Elsass-Lothringen an das Reich zu einem wirtschaftlichen Aufschwung, der gerade auch an Freiburg mit seinem wiedergewonnenen Hinterland jenseits des Rheins nicht spurlos vorbei ging. Die Stadt blühte auf und sie musste sich ausweiten.

Karl Walterspiel, 1848er Revolutionär, späterer Stadtrat in Freiburg, Architekt und Bauunternehmer betrieb die „Erschließung“ der Wiehre – die Stadt weitete sich nach Süden über die Dreisam aus, ein neuer Stadtteil wurde mit schachbrettartigen Straßenführungen angelegt. Die eingesessene Bevölkerung wurde verdrängt und in den für sie neu gebildeten Stadtteil Stühlinger jenseits der Bahn umgesiedelt. Gentrifizierung also schon vor 150 Jahren.

Sein Projekt zur Gründung des neuen Stadtteils unterstützte Walterspiel 1875 durch die Gründung des ersten Freiburger Bürgervereins, dessen Gebiet die gesamte Wiehre nebst Adelhausen südlich der Dreisam umfasste. Bis zu seinem Tode 1901 war Walterspiel Vorsitzender des Wiehremer Lokalvereins – in dieser Zeit entstand die heutige Wiehre. Der Lokalverein gedachte seiner durch einen Stein auf der Bodlesau.

Auf Walterspiel folgte der Privatier F.X. Isele bis 1905; in diesem Jahr teilte sich der Lokalverein in Mittel- und Unterwiehre einerseits und Oberwiehre andererseits; das Gebiet war für einen Bürgerverein zu groß geworden. Franz Gerteis, Inhaber eines Baugeschäfts und Betreiber der Radsporthalle am Lorettobad, leitete sodann den damals noch Lokalverein genannten Verein bis 1911; von 1911 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs wurde der Verein von Richard Manok geleitet; ihm folgte der Bauunternehmer und Stadtrat Staiger bis 1933. In diesem Jahr übernahm Malermeister Emil Feninger den Vorsitz, bis Ende der 1930er Jahre der Verein aufgelöst wurde. Rechtzeitig konnte die Kasse noch mit einer großen Ausflugsfahrt und einem Essen im „Spielweg“ auf Null gestellt werden.

Die Neugründung des Bürgervereins erfolgte am 11.03.1954 im „Deutschen Kaiser“, Vorsitzender wurde Otto Karle, dem Dr. Franz Kaiser folgte. 1965 schlossen sich die beiden Wiehremer Bürgervereine unter dem Vorsitz des Malermeisters Wilhelm Eschle wieder zusammen – bis 1969, als man sich wieder trennte und nun Ernst Wiesbrock Vorsitzender wurde.

1976 übernahm das Amt des ersten Vorsitzenden Elektromeister Walter Lämmlin, auf den 1982 Rechtsanwalt Jörg Sommermeyer folgte. 1985 übernahm den Vorsitz Rechtsanwalt Klaus Winkler, der dieses Amt 2009 aus gesundheitlichen Gründen an den Ingenieur Eugen Reinwald abgab; auf diesen folgte 2013 Rechtsanwalt Justus Kampp, ehe durch Satzungsänderung 2016 das Amt des ersten Vorsitzenden abgeschafft und ein geschäftsführender Vorstand bestellt wurde, der heute aus Monika Lang-Dahlke, Loretta Lorenz, Markus Ohler und Wilhelm Sievers besteht.

Der Bürgerverein, dessen Aufgabe die Vertretung der Stadtteilinteressen gegenüber der Gesamtstadt ist, schwankte in seinen Mitgliederzahlen erheblich; so hatte er nach der Teilung 1905 rund 200 Mitglieder, 1985 waren es knapp 30, 2009 rund 400, und seit 2013 rund 600 Mitglieder.

Klaus Winkler