Viele Menschen wünschen sich im Alter, in der gewohnten Umgebung bleiben zu können. Hier im angestammten Quartier kennt man die Wege, die Geschäfte und sieht auf der Straße bekannte Gesichter. Jahrzehnte alte Nachbarschaften, Freundschaften und gewachsene Beziehungen sind in der nächsten Umgebung zu finden. Das alles aufgeben? Nur weil die (bezahlbare) Wohnung zu groß geworden ist? Zwar ist die eigene Wohnung weder brarrierereduziert noch hat sie einen Aufzug, aber man kommt – wenn auch mühsam – immerhin noch (!) einigermaßen zurecht.

Ältere und gleichzeitig hochbetagte Menschen können bei entsprechenden Wohn- und Versorgungsmöglichkeiten lange selbständig in der eigenen Wohnung leben. Oft ist es die fehlende Barrierefreiheit, die dem entgegensteht. Gerade in Altbauten ohne Aufzug und ohne Barrierefreiheit kann das zum Problem werden. In der 2023 veröffentlichten Pestel Studie¹ wurde festgestellt, dass in Deutschland viel zu wenige Wohnungen brarrierereduziert sind.

Das gilt auch für die Wiehre. Denn barrierereduziert sind meist Neubauten. Die Wiehre zeichnet sich jedoch durch einen hohen Altbaubestand bei großer Dichte aus. Dennoch leben hier überdurchschnittlich viele Senior-*innen bezogen auf die Wohnbevölkerung und überdurchschnittlich ist auch die Wohnfläche pro Person und die Wohndauer (Stadtbezirksatlas der Stadt Freiburg 2021²). Dagegen liegt die Zahl der Familien unter dem Durchschnitt der Stadtbevölkerung. Gut aufgestellt ist die Wiehre, was die Infrastruktur und die Nahversorgung angeht. Gute Gründe, um im Quartier, wenn auch nicht zwangsläufig in der angestammten Wohnung, älter werden zu wollen.

Viele ältere Menschen wünschen sich weiterhin, selbständig zu wohnen, möchten allerdings im Notfall auch auf Hilfsangebote zurückgreifen können. Hier gewinnt die Wohnform „Betreutes Wohnen“ an Bedeutung. Eine Wohnform, die immer beliebter wird und die gerade, wenn sie im angestammten Quartier verwirklich werden kann, eine gute Lösung sein könnte. Neben „Betreutem Wohnen“ gibt es vermehrt den Wunsch, im Alter in Projekten für gemeinsames Wohnen zu leben, sei es in einer Gemeinschaft mit Gleichaltrigen, sei es in generationsübergreifenden Wohnprojekten. In der „Freiburg-Umfrage 2020 Gemeinschaftliche Wohnformen“³, äußerten viele der Befragten den Wunsch, im Ruhestand oder im Alter in einer Gemeinschaftswohnform zu leben. Daraus gewannen die Herausgeber*innen der Umfrage die Erkenntnis, dass in den nächsten 10 bis 15 Jahren eine starke Nachfrage nach eben diesen Wohnformen entstehen wird. Wohnprojekte bieten die Möglichkeit für selbstbestimmtes und individuelles Wohnen in einer Gemeinschaft. Ähnlich wie in einer Wohngemeinschaft aus Studienzeiten ist das Zusammenleben selbst organisiert und die Bewoh-ner*innen unterstützen sich im Alltag gegenseitig.

Die Pestel-Studie zeigt auf, wie ein Quartier altersgerechter werden könnte, u.a. durch seniorengerechte Umbauten im Bestand und die Schaffung von kleinen quartiersbezogenen Wohnanlagen für Senior*innen. Darüber hinaus verweist sie auf die Problematik, dass niedrige Renten und zu wenige altersgerechte und für die ambulante Pflege geeignete Wohnungen dazu führen können, dass Senior*innen mit niedrigen Einkommen zu früh in Pflegeeinrichtungen wechseln. Für Kommunen bedeutet das zusätzliche Ausgaben. In Deutschland müssen zwei Drittel der Mieterhaushalte in der Ruhestandsbevölkerung mit einem monatlichen Nettoeinkommen von weniger als 2.000 Euro auskommen (Pestel-Studie).

In den kommenden Jahren werden die sogenannten Baby-Boomer nicht nur in den Ruhestand gehen, sondern auch älter und gebrechlicher werden. Vielen war zeitlebens Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit ein großes Anliegen. Angesichts von Pflegenotstand und fehlenden Wohnungen gilt es jetzt, die Weichen zu stellen, um Quartiere altersfest zu machen. Damit alles bleiben kann, wie es ist, sind grund-legende Veränderungen notwendig. Dafür müssen in den nächsten Jahren alle Ressourcen im Quartier mobilisiert werden.

Dr. Cornelia Hösl-Kulike