Worum geht es? Im Rahmen eines sogenannten Planfeststellungsverfahrens hat das Garten- und Tiefbauamt bei der unteren Wasserbehörde im Umweltschutzamt beantragt, oberhalb von Günterstal auf Horbener Gemarkung und auf der Breitmatte insgesamt 213.000 m³ Rückhalteraum zu errichten und damit Überschwemmungen unterhalb zu verhindern.
Die Hochwassergefahrenkarten des Landes zeigen es eindeutig: Wenn der Hölderlebach so viel Wasser führt, wie statistisch gesehen alle 100 Jahre einmal, dann stehen weite Teile der Wiehre und bachabwärts gelegene Stadtteile Freiburgs unter Wasser. In diesen Bereichen gilt daher gesetzlich ein Bauverbot und die Stadt ist im Rahmen des Katstrophenschutzes gehalten, empfindliche Einrichtungen zu schützen.
Der Bürgerverein Mittel- und Unterwiehre e.V. (BV) hat in seiner Stellungnahme die Initiative der Stadt zu Hochwasserschutz begrüßt. Eine Aufstockung des bestehenden Rückhalteraumes auf der Breitmatte an der Wonnhaldestraße von derzeit 17.500 m³ auf ca. 40.000 m³ aber abgelehnt und stattdessen vorgeschlagen, das zusätzliche Rückhaltevolumen im Bereich der Kleingärten zu schaffen.
Begründung: Der auf der Breitmatte vorgesehene Eingriff würde sich dort massiv negativ auswirken: Der Damm an der Wonnhaldestraße soll um bis zu 2,80 Meter erhöht werden. Zur Notentlastung soll eine 150 Meter lange Scharte eingebaut und befestigt werden, so dass der Weg auf dem Damm im Bereich der Notentlastung sogar asphaltiert werden muss. Unter dem Damm soll eine Dichtwand bis zum gewachsenen Fels 6 m tief eingebaut werden. Der Breitmattenweg zum Gelände des Hundesportvereins soll auf 120 m Länge um 1,70 Meter angehoben werden. Ein Ableitungsbauwerk soll den Füllvorgang steuern, wird dazu mit automatischen Schützen ausgestattet und erhält ein Betriebsgebäude mit einem Extra-Büro. Unterhalb des Entnahmebauwerks muss der Bach dann auf 60 m begradigt werden, so dass die Bäume am Bach gerodet werden müssen.
Diese Maßnahmen stellen nach Ansicht des BV einen unnötigen, massiven Eingriff in den heutigen schützenswerten Bestand der Breitmatte dar, wie es zum Beispiel in den Berichten der für das Monitoring zuständigen Biologin belegt ist. Die Maßnahmen sind nur umsetzbar, indem der heutige Damm abgetragen und nach Einbau der Dichtwand ein neuer, viel höherer Damm errichtet wird. Die Maßnahmen werden die ökologisch wertvollen Flächen reduzieren, und in Folge der Bautätigkeit zu tiefen Wunden in der heutigen Gesellschaft aus wertvollen Pflanzen und Tieren führen. Die Blickachsen im einmaligen Landschaftsbild zum Schauinsland und nach Günterstal würden unterbrochen, und der neue Damm würde künftig als störend empfunden.
Nur alle 30 Jahre und seltener: Der Eingriff auf der Breitmatte ist laut Antragsteller erforderlich, um den Schutz vor Überschwemmungen infolge von Abflussereignissen zu erzeugen, die seltener als alle 30 Jahre bis zum hundertjährigen Ereignis mit Klimafaktor vorkommen, . D.h. nur alle 30 Jahre und seltener wird die vorgesehene Erweiterung auf der Breitmatte überhaupt gebraucht.
Vorschlag des BV: Daher hat der BV vorgeschlagen, das Rückhaltebecken an der Wonnhalde zu belassen und vor dem Geländeeinschnitt der Höllentalbahn einen kleinen Damm oder eine Mauer zu bauen, um bei diesem Szenario dort so viel Wasser aufzustauen, dass für die Wiehre und Haslach der 100jährige Schutz vor Hochwasser gewährleistet ist. Das aufgestaute Wasser würde an der tiefsten Stelle in den nördlichen Kleingärten maximal 130 cm stehen, und es würden nach überschlägiger Berechnung nur die ersten zwei Reihen der Gärten in Anspruch genommen. Sie würden aber weiter bestehen bleiben. Dieser Vorschlag wäre deutlich kostengünstiger, als für 4,8 Mio. € die Breitmatte aufzustocken. Damit würde die Kleingartenanlage Überschwemmungsgebiet bleiben; die Fläche stünde künftig wie heute für eine Bebauung nicht zur Verfügung. Bei einem drohenden Ereignis würden zunächst die Becken in Horben und an der Wonnhalde volllaufen, und es wäre genug Zeit, um die Kleingärtner zu warnen. Die Gefahr, dass Stoffe, die in den Gärten gelagert werden, das Gewässer belasten könnten, wäre wie heute gegeben und bei einer solchen Katastrophe hinnehmbar, oder man müsste die Lagerung solcher Stoffe dort untersagen.
Wie geht es weiter? Im laufenden Verfahren hat das Umweltschutzamt nun den Vorschlag zu bewerten und die Vor- und Nachteile abzuwägen. Nach Ansicht des BV muss die Planung geändert werden, um den massiven Eingriff in die Biotope auf der Breitmatte zu verhindern und unnötige Kosten zu sparen.
Zur Geschichte: Der Hölderlebach verlässt bereits bei Abflüssen, die alle 10 bis 15 Jahre vorkommen, sein Bett in der Schwimmbadstraße und überschwemmt dort den Gehweg und die anliegenden Grundstücke. Besonders heftig war es an Weihnachten 1991, als auch viele Anlieger in der Matthias-Grünewald-Straße und entlang der Basler Straße volle Keller und Tiefgaragen hatten.
Seitdem die Stadt im Jahre 2008 auf der Breitmatte vor Günterstal ein Regenrückhaltebecken in Betrieb genommen hat, sind die Überschwemmungen etwas seltener geworden. Zum ersten und bisher letzten Mal war das Becken am 01.März 2013 gefüllt und konnte Schlimmeres in der Wiehre verhindern.
Durch den Bau eines Dammes an der Wonnhalde von maximal 1,60 Metern Höhe und weiterer drei niedriger Dämme auf der Breitmatte entstand eine neue Landschaft, die sich der vorhandenen Wiesenstruktur gut anpassen konnte. Zum Ausgleich für den unvermeidlichen Eingriff wurde für die Breitmatte ein Gülleverbot erlassen. Seitdem entwickelt sich diese Wiese besser als erwartet. In einem regelmäßigen Monitoring wird eine stetige Zunahme der Pflanzen und Tierarten festgestellt. Besonders die div. Orchideen (Knabenkräuter) verbreiten sich sehr erfreulich.
Übrigens: Die Wiese soll in der Vegetationszeit v.a. von März bis September nicht betreten werden, was Manchem (auch Hundehaltern) schwer fällt, wie man beobachten kann und die Trampelpfade führen mitten durch den Orchideenbestand.
Jürgen Bolder