NEUE SERIE Die Wiehre im Erleben der Anderen
Mit dem Rollstuhl durch die Wiehre oder: Die Wiehre barrierefrei entdecken
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Bedürfnisse und Befindlichkeiten prägen unsere Wahrnehmung. Dazu zunächst ein kleiner Selbsttest: Wissen Sie, welchen Belag die Gehsteige auf der Günterstalstaße stadteinwärts links und rechts der Straße haben und welche Geschäfte in unserem Viertel nur über Stufen erreichbar sind? Können Sie spontan sagen, welche Restaurants und Cafés barrierefrei sind bzw. in welchen davon sich zwischen Gastraum und Toiletten Stufen befinden?
Und wissen Sie, an welchen Straßenbahnhaltestellen in der Wiehre man mit Rollstuhl gut in die Bahn gleiten kann und wo Hilfe vom Schaffner benötigt wird?
Wenn Sie alle Fragen sicher beantworten können, gehören Sie vermutlich zu dem Personenkreis, der dauerhaft oder zumindest einmal vorübergehend mobilitätseingeschränkt auf die richtigen Antworten angewiesen ist oder war.
Es kann uns hier aber nicht darum gehen zu klagen, dass unsere schönen Jahrhundertwendebauten zur besseren Belüftung ihrer Kohlen- und Vorratskeller grundsätzlich „Hochparterre“ gebaut wurden und dadurch Haus- wie Geschäftseingänge mit Stufen versehen sind. Das eben ist die Wiehre und die Ladenbesitzer versuchen diese Barriereschranke meist mit zuvorkommendem „Straßenverkauf“ auszugleichen, wenn sich ein Rollstuhl- oder Rollatorbesitzer bemerkbar macht. Uns geht es vielmehr darum zu berichten, mit welchen Schwierigkeiten in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen zu kämpfen haben und einige Tipps zu geben, wo man sich bei uns im Stadtteil barrierefrei bewegen kann. So ist unser kleines kulturelles Herzstück, der Alte Wiehrebahnhof, mit seiner eisernen Rampe und der vorhandenen Behindertentoilette vorbildlich barrierefrei und auch im Kino findet man dort seinen „Stellplatz“. Schwierig wird es eher im Café bei Gedränge am Tresen und der verhältnismäßig engen Bestuhlung dort. Unser Tipp: Den hinteren Gastraum über die Galerie anfahren und, sollte die Türe verschlossen sein, kurz an der Theke Bescheid geben lassen.
Auch zwei andere Cafés im Viertel, K+U (Backkultur)  und ‚Wiehrgefühl‘, bieten ausreichend Platz, um sich zwischen den Tischen ein gutes Plätzchen zu errollen. Erst vor kurzem umgebaut verfügen beide auch über geräumige Behindertentoiletten. Im Wiehrgefühl ist diese so groß und schön, dass man mit dem Rolli vor Freude Pirouetten drehen könnte, wenn, ja wenn, man es bis dort hinein tatsächlich geschafft hat. Leider verhinderte bei unserem Besuch eine ca. 20 cm hohe Stufe zunächst das Befahren des Cafés. Es brauchte drei Menschen um den schweren elektrischen Rollstuhl anzuheben. Auf unseren Hinweis sicherte die Geschäftsleitung uns den nachträglichen Bau einer Rampe zu. Wir freuen uns erwartungsvoll auf diese Nachbesserung! Aber auch auf den öffentlichen Wegen, v.a. in Nebenstraßen, muss man bisweilen lange rollen, bis eine Absenkung einem Rollstuhlfahrer das Queren der Straße ermöglicht. So ist es dann bisweilen komfortabler, zum Geldabheben in die Innenstadt zu fahren als seine Hausbank im Viertel anzurollen. Will man dazu ohne fremde Hilfe die Straßenbahn benutzen, sollte man die Haltestelle an der Lorettostraße meiden. Im Gegensatz zu allen anderen Bahnsteigen im Viertel und auch der gegenüberliegenden Haltestelle Richtung Günterstal ist hier der Höhenabstand zwischen Straßenbahn und Bahnsteig zu groß, so dass der Fahrer helfen muss.
Wird einem im Sommer durch Innenhöfe und Freisitze der Restaurants zumindest das Essengehen (wenn auch nicht die WC-Nutzung) mit Rollstuhl ermöglicht, ist die Auswahl im Winter deutlich eingeschränkt. Wir haben auf Anhieb nur ‚La Stazione‘ im Neuen Wiehrebahnhof, das Lollo, Baires sowie den ‚Grünen Baum‘ als barrierefrei zugänglich gefunden, lassen uns aber gern mit weiteren Hinweisen versorgen. Wir planen auf unserer neuen Webseite dieses Thema weiter zu führen und würden uns über Ihre Zuschrift und Mitarbeit freuen.
Loretta Lorenz und Yvonne El Saman