Die Verfolgung der jüdischen Mitbürger*innen während der Zeit des Nationalsozialismus ist uns allen auch heute schmerzhaft bewusst. Auch die Verfolgung der Sinti und Roma in dieser dunklen Zeit. Aber wer kennt die Jenischen?

Manche haben diesen Namen vielleicht schon gehört, ohne weitere Vorstellungen oder Kenntnisse mit diesen Menschen zu verbinden. Vielleicht haben die Älteren von Ihnen ihre Eltern oder Großeltern einmal von diesem „fahrenden Volk“ sprechen hören. Solche Menschen hatten für sesshafte, in festem sozialem Gefüge lebenden Bürger*innen, meist eine geheimnisvolle Ausstrahlung, sie waren Fremde.

Aber Jenische leben auch heute unter uns. Sie sichtbar zu machen, ihrer Geschichte nachzuspüren und diese zu erzählen, hat sich Frau Rosita Dienst-Demuth mit den Schüler*innen der Geschichtswerkstatt der Lessing Realschule zu einer weiteren Aufgabe gemacht, nach der langjährigen, intensiven Erinnerungsarbeit und Spurensuche ausgehend von der jüdischen Zwangsschule in Freiburg.

Die Jenischen sind seit Jahrhunderten ein Teil der Bevölkerung Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, Frankreichs und der Beneluxländer. Die Zahl der Jenischen in Deutschland liegt bei ca. 200 000 Menschen, ihre Geschichte ist kaum erforscht. Ihre nomadische Lebensweise hat eine lange Tradition in Europa, doch ihre Herkunft ist unbekannt. Sie haben eine eigene Kultur und eine eigene Sprache, eine Mischung aus Deutsch, Jiddisch und Romanes. Heute meist sesshaft, lebten sie lange als fahrendes Volk. Sie arbeiteten als Korbmacher, Kesselflicker, Schrotthändler, Messerschleifer, Schausteller und vor allem als fahrende Händler. Ihre Identität wird durch das Lebensgefühl „frei wie ein Vogel“ bestimmt, ihre Lebensform war lange „die Reis“. Sie galten als handwerklich geschickt und friedfertig.

Im Nationalsozialismus wurden sie, wie auch die Sinti und Roma, ausgegrenzt, verfolgt und ermordet. Im Jahre 2022 wurden in Tuttlingen Stolpersteine für ein ermordetes jenisches Brüderpaar verlegt, im Beisein des Zentralrats der Jenischen, dessen Vorsitzender Alexander Flügler aus Singen stammt. Er kämpft seit Jahren für die Anerkennung der Jenischen als Minderheit und plant, ein jenisches Zentrum in Singen zu schaffen.

Im gleichen Jahr 2022 ermöglichte Frau Dienst-Demuth mit Hilfe des Förderprogramms „Demokratie leben!“, dass die Geschichtswerkstatt die vergessene Minderheit kennenlernen konnte. Sie besuchte mit sechs Schüler*innen aus vier Freiburger Schulen – einige von ihnen haben selbst jenische Vorfahren – das Fest der Jenischen in Wackershofen, wo die erste Jenischen Ausstellung im dortigen Freilandmuseum stattfand. So konnten die Schüler*innen jenische Menschen, ihre Kultur, Sprache, Musik und Handwerkskunst kennenlernen. Begleitet wurden sie von Thomas Wald, dem Leiter des Roma Büros Freiburg. Dieser hat eine digitale Ausstellung „Geschichte der Minderheiten in Freiburg und Regio“ als Beitrag zum 900 Jahre Stadtjubiläum Freiburg zusammengestellt. Die Minderheit der Jenischen wird bisher in dieser Ausstellung nicht erwähnt. Das möchten die Schü-ler*innen der Geschichtswerkstatt mit eigenen Beiträgen und der Unterstützung durch Sendungen in Radio Dreyeckland verändern.

Dr. Gabriele Denz-Seibert