Studentischer Wettbewerb der Bürgervereine zeigt Entwicklungspotentiale auf
Kühne Gedanken für eine Stadt an der Dreisam

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Prof. Barbara Engel (Mitte im hellen Rock) mit den WettbewerbsteilnehmerInnen und den Jurymitgliedern.

Wie könnte Freiburg einmal aussehen, wenn der Verkehr durch den Stadttunnel fließen wird? Welche Chancen für die Stadtentwicklung könnten sich für Freiburg und speziell für die Wiehre ergeben? Hierzu lobten die Bürgervereine der Wiehre in Kooperation mit dem Lokalverein Innenstadt und dem Bürgerforum Sedanquartier/Im Grün einen Studierendenwettbewerb zusammen mit dem Karlsruher Institut für Technologie – KIT – aus. Die Ergebnisse geben wichtige Impulse für eine mögliche künftige Gestaltung Freiburgs.

Entspannt in verschiedenen Ebenen an der Dreisam sitzen? Zu Fuß durch den Fluss? Ein Nebeneinander von Schlenderradwegen und Schnellradwegen? Die Abendsonne auf einer autofreien Kronenbrücke genießen? Ein Medienturm  an der Kronenbrücke? Der Johanneskirchplatz mit Wasserspielen oder Marktflächen als Erlebnisraum? Einen Hügel statt der Wiese am Faulerbad?
Ideen, die Studierende des Masterstudienganges Internationaler Städtebau am KIT im Rahmen eines Studierendenwettbewerbs entwickelten. Insgesamt beteiligten sich 11 Teams mit insgesamt 28 Studierenden aus den Fachbereichen Architektur, Städtebau und Verkehrsplanung an dem von den Bürgervereinen mittels STELL-Geldern ausgelobten Wettbewerb. Die Aufgabe: Wie kann Freiburg entlang der Dreisam verkehrlich und städtebaulich weiterentwickelt werden, wenn der Stadttunnel in Betrieb geht? Insbesondere sollten sich die Studierenden mit den Entwicklungspunkten Ganterareal, Johanneskirchplatz und Faulerbad auseinandersetzen. Ferner galt es Verkehrsführungen und Freiflächenplanungen entlang der Dreisam beginnend vom Faulerbad bis zum Ganterareal vorzuschlagen. Insgesamt eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe, so Professorin Barbara Engel, die mit Ihrem Lehrstuhl für Internationalen Städtebau den Wettbewerb ausrichtete und begleitete.
Bürgervereine wollen Impuls geben
Mit dem Wettbewerb wollen die beiden Initiatoren, die Bürgervereine Mittel- und Unterwiehre sowie Oberwiehre-Waldsee, bewusst früh einen Impuls für die städtebauliche Entwicklung Freiburgs setzen. „Die Erfahrungen zeigen, je früher wir mit den Planungen beginnen, umso besser“, so Hans Lehmann vom BV Oberwiehre-Waldsee. Auch Justus Kampp vom BV Mittel- und Unterwiehre betonte, dass ein Abwarten bis zur Planfeststellung für beide Vereine keine Option gewesen sei. Gerade der Wettbewerb habe die Bürgervereine darin bestätigt, dass die Oberflächenplanung nicht losgelöst vom eigentliche Tunnelbau betrieben werden könne. Ob eine oder zwei Spuren auf jeder Dreisam-Seite oder aber die schwierige städtebauliche Situation am Faulerbad, wo künftig das Tunnel-Westportal liegen könnte, machten mehr als deutlich, „dass wir die Dinge zusammen und nicht nacheinander zu denken haben“, so Kampp. Beide Bürgervereine hatten gemeinsam beschlossen, max. 30.000 Euro STELL-Gelder für den Wettbewerb zur Verfügung zu stellen. Die Studierenden erhielten insgesamt Preisgelder in Höhe von 3.500 Euro.
Intensive Auseinandersetzung mit Freiburgs Potentialen
Dem eigentlichen kreativen Wettbewerb war im Winter-semester 2016/2017 eine intensive Vorplanung vorausgegangen. Die Studierenden hatten sich mit unterschiedlichen Beteiligungsmodellen und Ausschreibungsverfahren auseinanderzusetzen. Zusammen mit den auslobenden Bürger-vereinen und der Initiative Stadttunnel wurden in Bürgerspaziergängen Wünsche und Potentiale vor Ort mit den Studierenden diskutiert und erarbeitet. Ebenfalls wurde die Stadtverwaltung eng in den Wettbewerb eingebunden. Aus
diesen Ergebnissen entstand dann die konkrete Gestaltungsaufgabe für das Sommersemester 2017. Das Interesse der Studierenden war unter anderem deshalb besonders groß, weil sie hier die Möglichkeit hatten, sich einer konkreten und realistischen Aufgabe zu stellen, so Barbara Engel vom KIT. Auch seien die Studierenden von dem großen Interesse und der engen Zusammenarbeit der Bürger sowie der Bürger-vereine beeindruckt gewesen. „Die Studierenden haben richtig gespürt, dass ihre Arbeiten auf großes Interesse stoßen. Das hat ihnen einen besonderen Ansporn gegeben“.
Großes Interesse der Studierenden an konkreter Zukunftsplanung
Alle eingereichten Arbeiten zeigten denn auch eine intensive Auseinandersetzung mit Freiburgs aktuellen Problemstellen und den Potentialen. Insbesondere die Strukturanalysen in Bezug auf Verkehr, Quartiere und Freiräume überzeugten denn auch auf sehr hohem Niveau. Die hochkarätige Jury war beeindruckt vom durchgängig sehr hohem Niveau der eingereichten Arbeiten. „Richtig schwache Arbeiten gab es eigentlich keine“ beschrieb Jurymitglied und Architekt Detlef Sacker das Teilnehmerfeld. Umso schwieriger die Aufgabe Preisträger und Anerkennungen auszuwählen.
Absage an 4 Fahrspuren und Extrablatt
Wenn Freiburg an Lebensqualität gewinnen will und die Dreisam zum Erlebnisraum werden soll, das haben alle Wettbewerbsbeiträge aufgezeigt, wird dies nur gelingen, wenn der oberirdische Autoverkehr auf ein Minimum reduziert wird. Ob zweispurig auf der Südseite (Wiehre), um konsequent die Dreisam von der Innenstadt aus erschließen zu können, oder je einspurig auf beiden Uferseiten. Alle Beiträge zeigten auf, dass sich der Verkehr maximal reduzieren lassen wird.
Auch das Café Extrablatt an der Dreisam wurde von den Studierenden als städtebaulicher Fremdkörper empfunden. Statt einer weiteren Kommerzialisierung des schönsten Stücks des Dreisamufers schlagen nahezu alle Beiträge großflächige Parkanlagen vor.
Die klaren Aussagen überzeugten nicht nur die Jury des Wettbewerbs, sondern auch die Bürgervereine. Insbesondere fordern sie, wie von den Studierenden vorgeschlagen, einen maximalen Rückbau der heutigen Straßen.
Die Sieger: Radikal aber überzeugend
Der Siegerentwurf von Max Bosch, Philipp Staab und Julian Hettich überzeugte die Jury mit seiner Radikalität. Das Siegerteam will die Autos komplett um die Innenstadt herumleiten: durch die Talstraße auf der einen und über Friedrichstraße und Schlossbergring auf der anderen Seite. Dadurch schaffen die Sieger ein großzügiges „Grünes Wohnzimmer“ an der Dreisam. Die Brücken würden für den Autoverkehr gesperrt. „Sicherlich kein Entwurf, den man umsetzen wird, aber ein Entwurf, der sehr weit vorausdenkt und ganz neue Perspektiven aufzeigt“, so Justus Kampp.
Jetzt weiterdenken
Beide Bürgervereine sowie der Lokalverein Innenstadt und das Bürgerforum Sedanquartier/Im Grün wollen die Ergebnisse des Wettbewerbs, die in einer Broschüre dokumentiert werden, zum Anlass nehmen, um mit der Stadt und dem Regierungspräsidium die künftige Entwicklung intensiv weiterzudenken. „Wir hoffen, dass nunmehr bei der Stadtverwaltung insbesondere bei Prof. Haag als zuständigem Dezernenten etwas in Bewegung gekommen ist“, so Hans Lehmann. Auch Haag, der Mitglied der Jury war, zeigte sich beeindruckt „welche Entwicklungspotentiale für die Stadt durch den Stadttunnel entstünden“. Der Wettbewerb, so Justus Kampp, sei nunmehr ein Moment, hinter den keiner mehr zurück könne. Jetzt gilt es die Diskussion zu Gunsten
der Bürger und BürgerInnen und nicht des Verkehrs weiterzudenken.
Justus Kampp


Studierendenwettbewerb „Dreisam-Boulevard“
Auslober: BV Mittel und Unterwiehre, BV Oberwiehre-Waldsee
Kooperationspartner: Lokalverein Freiburger Innenstadt, Bürgerforum
Sedanquartier/Im Grün
Durchführung: KIT Karlsruhe, Lehrstuhl Internationaler Städtebau, Prof. Dr. Barbara Engel
Jurymitglieder
Fachpreisrichter:
Herr Prof. Dr. Haag, Bürgermeister, Dezernat V der Stadt Freiburg
Frau Prof. Dr. Engel, FG Internationaler Städtebau, KIT
Herr Dipl.-Ing. Sacker, Architekt BDA
Herr Prof. Hartmut Topp, Verkehrsplaner
Herr Dipl.-Ing. Stefan Helleckes, Landschaftsplaner BDLA
Herr Dipl.-Ing. Stefan Hofer, Stadtplaner und Architekt
Sachpreisrichter:
Herr Lehmann (Bürgerverein Oberwiehre-Waldsee e.V.)
Herr Kampp (Bürgerverein Mittel- und Unterwiehre e.V.)
Frau Dr. Rosler-Koslar (Lokalverein Innenstadt e.V.)
Herr Armbruster (Bürgerforum Sedanquartier)
Herr Dipl.-Ing. Architekt Thoma
(Vorsitzender der Initiative Stadttunnel)
Herr Dipl.-Ing. Alexander Krüger, Straßenplaner Regierungspräsidium Freiburg, Abt. 44
Sachverständige:
Dipl.-Ing. Siegfried Kendel, Dipl.-Ing. Nikolas Rogge
Preisträger
1. Preis „Platz an der Sonne“ – Max Bosch, Philip Staab, Julian Hettich
2. Preis „Stadt am Fluss“ – Jannosch Ottenschläger, Janna Bockelmann
3. Preis „Grünes Band Freiburg“ – Karla Herzner, Noel Rabufetti