… kommt die Müll-Gebührenkalkulation des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft (EAF). Am 14. Dezember 2021 wurde das Zahlenwerk der Drucksache G-21/205 vom Gemeinderat einstimmig durchgewunken. Erstaunlich: Bereits eine Woche vor der Abstimmung verkündeten und rechtfertigten die Herren Broglin (ASF) und von Zahn (EAF) den „sehr moderaten“ Anstieg der Müllgebühren von durchschnittlich 3,5 Prozent. Die Badische Zeitung berichtete auf Seite 6 der Ausgabe vom 7. Dezember 2021 unter dem Titel „Mülltrennung wird besser honoriert“ vom teuren und komplizierten Freiburger Müllsystem.

Wir hatten die Fraktionen des Gemeinderates im Vorfeld auf verschiedene Ungereimtheiten in der Entscheidungsvorlage hingewiesen und kritisieren die Entscheidung ebenfalls. So wird im Folgenden das extrem teure, äußerst komplizierte und völlig intransparente Freiburger Müllsystem beschrieben und mit den Müllgebühren von Merzhausen (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) und der Stadt Karlsruhe verglichen:

Der Vergleich erfolgt mit den jeweils geforderten Mindestvolumen.

  • In Freiburg muss jeder Haushalt einen personenabhängigen Haushaltstarif und mindestens 4 Liter Restmüllvolumen pro Person und Woche bezahlen. Vollservice, also das Holen vom Grundstück und Zurückbringen aller Mülltonnen, kostet für jeden Müllbehälter extra. 
  • In Merzhausen wird eine pauschale Haushaltsgebühr erhoben. Restmülltarife gibt es mit und ohne Biomüll. Das Restmüll-Mindestvolumen liegt bei 5 Liter pro Person und Woche. Vollservice wird nicht angeboten.
  • In Karlsruhe werden die Müllkosten nur über die Restmülltonne abgerechnet. Eine Haushaltsgebühr kennt man dort nicht. 5 Liter Restmüll-Mindestvolumen pro Person und Woche werden (nur) empfohlen. Der Vollservice ist für alle Behälter (also das Holen vom Grundstück und Zurückbringen der Mülltonnen bis 25 m) ohne zusätzliche Kosten enthalten.

Vergleichsparameter:

  • In allen drei Systemen sind die Kosten für Biomüll, Wertmüll, Papier, Sperrmüll, Schnittgut, Recyclinghöfe und Schadstoffe in den Müllgebühren enthalten. Entsprechende Müllgefäße (Biotonne, Papiertonne, Wertstofftonne/Gelber Sack) werden „kostenlos“ beigestellt. In Karlsruhe jeweils inklusive Vollservice.
  • In Merzhausen und Karlsruhe erfolgt die Leerung ausschließlich 14-täglich. Daher wird auch in Freiburg mit dem 14-täglichen Intervall verglichen. 
  • Für den Vergleich wird der in allen Systemen gleichermaßen verfügbare 240 Liter-Rest-Müllbehälter für die „Müllgefäß-Nutzergemeinschaften“ gewählt. Der „Literpreis“ ist in allen Systemen von den zur Auswahl stehenden Gefäßgrößen unabhängig. 
  • Die Basis des Vergleichs sind die kleinsten verpflichtenden Vorgaben der drei Systeme. Bei 14-täglicher Leerungen beträgt die Berechnungsgrundlage in Freiburg entsprechend 8 Liter Restmüll-Mindestbehältervolumen. In Merzhausen und Karlsruhe gehen jeweils 10 Liter Mindestvolumen für den Vergleich ein.

Tabelle 1 Vergleich der Müllgebühren

Extrem teuer!
Tabelle 1 zeigt: Der 1-Personenhaushalt muss in Freiburg mindestens 119,44 € im Jahr bezahlen. Das sind gegenüber dem vergleichbaren Haushalt in Karlsruhe mehr als das Vierfache. Wobei in den Karlsruher Gebühren der Vollserviceenthalten ist. In Freiburg sind für den Vollservice eines 240-Liter-Behälters mit 14-täglicher Leerung (Entfernung 15 bis 30m) weitere 77,88 € pro Jahr fällig. Das entspricht pro Liter 0,32 € für jeden 240-Liter-Müllbehälter zusätzlich. 

Gegenüber Merzhausen sind die Freiburger Gebühren fast doppelt so hoch. Dies verwundert insbesondere, da doch die Rahmenbedingungen für die Müllentsorgung in Freiburg und im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwaldvergleichbar sind. Die Entsorgung erfolgt wie in Freiburg bei der TREA Breisgau in Eschbach  und jeweils ist das Entsorgungsunternehmen Remondis beteiligt. Im Landkreis kommt jedoch hinzu, dass die Wege für das Einsammeln des Mülls wesentlich länger sind.

Äußerst kompliziert und völlig intransparent!
Grundlage für die hohen Haushaltstarife ist das sogenannte INFA-Gutachten (Institut für Abfall, Abwasser und Infrastrukturmanagement GmbH) aus dem Jahr 2019, zu dem das Rechnungsprüfungsamt Freiburg am 21. Januar 2021 in seinem Prüfbericht 2019 (Drucksache G-21/063, Seite 16) des EAF anmerkte, dass die angeforderten Detailinformationen auch nach Abschluss des Prüfberichtes immer noch nicht vorlägen. Offensichtlich scheint die Grundlage der Gebührengestaltung ein bestens gehütetes Geheimnis zu sein.

Eine wesentliche Annahme dieses Gutachtens ist, dass ein 1-Personenhaushalt mit 16,6 Litern wöchentlichen Restmülls fast gleichauf liegt mit einem 2-Personenhaushalt (17,4 Liter). Ablesbar ist dies grob in einem Diagramm auf der Seite 3 der 37-seitigen Gebührenkalkulation – nachvollziehbar und überprüfbar ist dies jedoch wegen fehlender Daten und einer Mess-Verfahrensbeschreibung keinesfalls. Wie passt das zu der umjubelten besseren „Honorierung“ der Sparmöglichkeit der „4-Liter-Person“?

Des Weiteren werden keinerlei Angaben zur Mülldichte (kg pro Liter) gemacht. Umso interessanter ist das maximal erlaubte Gewicht der Müllbehälter – in der Tabelle 2 dargestellt:

Nach dieser Tabelle darf in den 60 Liter-Behälter der meiste Müll „gedrückt“ werden. Satzungsgemäß dürfen die Müllbehälter offensichtlich sehr unterschiedlich beladen werden – eine nicht nachvollziehbare Ungereimtheit, werden doch die Entsorgungskosten bei der TREA nicht nach Volumen, sondern nach Gewicht abgerechnet.

Tabelle 2 Unterschiede bei der Mülldichte der einzelnen Müllbehälter

Intransparente Kalkulation!
In der Gebührenkalkulation (Seite 12) wird ein Gebühren-bedarf von ca. 27 Millionen jährlich festgestellt. „Materialaufwand und bezogene Leistungen“ heißt es lapidar zu dieser Summe – und „beinhaltet im Wesentlichen das Betreiberentgelt der ASF, die Entsorgungskosten TREA, Bahntransportkosten sowie externe Verwertungskosten“ – alles ohne jegliche Aufschlüsselung, die vielleicht Hinweise auf kritische Kostenquellen und andere Besonderheiten geben könnte. Transparenz sieht anders aus!

Nach den Zahlen in der Gebührenkalkulation (Seite 14, „1. Kalkulation Haushaltsgebühr“) sind die („Müll-“) Haushalte in Freiburg auf die unterschiedlichen Haushaltstypen verteilt, wie in Tabelle 3 dargestellt. Dabei weicht die Anzahl der unterschiedlichen Haushaltstypen von der offiziellen Bevölkerungsstatistik erheblich ab. Nur bei den 2-Personenhaushalten scheint die Relation in etwa zu stimmen. 

Tabelle 3 Abweichungen bei der Anzahl der unterschiedlichen Haushaltstyp

Ein Rechenfehler!
Besonders bemerkenswert ist ein vermeintlich kleiner Rechenfehler (Seite 14). Die Spalte mit der Anzahl der Haushalte summiert sich dort auf 105.854 – richtig gerechnet sind aber nur 105.853 (Tabelle 4). Ein vermeintlich kleiner Fehler, der sich durch die ganze Gebührenkalkulation zieht? Offensichtlich entsteht hier bei der Addition der „ganzen Zahl“ der Haushalte ein Rundungsfehler. Die Vermutung liegt nahe, dass aus irgendwelchen „Parametern“ die Anzahl der Haushalte als „Sollwert“ generiert wird – und die Zahl der Haushalte nicht wirklich real ermittelt wird. Vielleicht erklärt sich hieraus sogar die große Schieflage zur offiziellen Bevölkerungsstatistik? Auf jeden Fall stimmt da etwas nicht!

Tabelle 4 Kostenverteilung auf die unterschiedlichen Haushaltstypen

Ungerechte Gebührenverteilung!
Wie groß die „Ungerechtigkeit“ ist, zeigt sich in der Aufteilung der Gebührenanteile zur Anzahl der Haushaltstypen bzw. der zugehörigen Anzahl der Personen (Tabelle 4):

Die 1-Personenhaushalte zahlen 37,12 % der „Grundkosten“, während diese Gruppe nur 20,45 % der Gesamtheit der „Müllbürger*innen“ ausmacht. Bei den 2-Personenhaushalten stimmt das Kosten-Gebühren-Verhältnis in etwa. De facto „subventionieren“ die 1-Personenhaushalte im Freiburger Müllsystem die größeren Haushalte.

Was muss aus unserer Sicht geschehen?
Die Haushaltsgebühr für die Müllentsorgung wird in Freiburg nach einem komplizierten, mit vielen (nicht veröffentlichten) Unbekannten von einer prognostizierten Müllmenge in Litern zurückgerechnet auf die unterschiedlichen Haushalttypen. Bei dem „4-Liter-1-Personenhaushalt“ werden 91,63% (109,44 €) „personenbemessen“ und nur ein sehr kleiner Anteil von 8,37% (10,00 €) „gefäßbemessen“ berechnet. Das Missverhältnis liegt beim oft zitierten 4-Personenhaushalt immer noch bei 80 % zu 20%. Einfacher und vor allem gerechter wäre: Jede Person zahlt für die Müllmenge, die sie verursacht. Abgerechnet wird dies über die entsprechende Müllgefäßgröße. Das würde auch in der Gebührenkalkulation viele bedruckte Seiten und zahlreiche „Vermutungskaskaden“ überflüssig machen. Und das Beispiel Karlsruhe zeigt auch, dass ein inklusiver Müllservice kein Kostentreiber sein muss. Bestätigt wird diese Annahme durch die Müllgebühren in Städten wie Heidelberg und Stuttgart. Die hohen Müllgebühren in Freiburg gegenüber anderen Städten sind ein Hinweis auf erhebliche Einsparpotentiale. Diese bleiben jedoch unter der fehlenden Transparenz verborgen. Es geht in jedem Fall preiswerter, bei sogar besserem Service. Kundenorientiert ist das Freiburger Müllsystem in keinem Fall – das muss sich in den kommenden zwei Jahren unbedingt ändern! 

Willi Sievers