Geboren wurde Carl / Karl – mit „C“ im Geburtsregister, mit „K“ im Taufregister – Walterspiel am 29. Januar 1831 in Kappel, heute Kappelrodeck. Er war das erste Kind des Krämers – also Kaufmanns – Xaver Walterspiel und Julia geb. Lamm, die am 12. Mai 1830 die Ehe geschlossen hatten. Neun Geschwister folgten ihm, drei starben als Kleinkinder.

Im Alter von 17 Jahren schloss sich Karl Walterspiel den badischen Revolutionären an und wurde in der Schlacht von Waghäusel schwer am Kopf verletzt – durch Zufall entging er der Erschießung wegen angeblicher Desertion. Anders als viele Revolutionäre wanderte er nicht aus oder wurde strafrechtlich verfolgt: Er konnte ein neues ziviles Leben beginnen.

In Steinbach bei Bühl führte er nach der gescheiterten Revolution ein kleines Unternehmen und heiratete. Politisch resignierte er nicht und war in der Kommunalpolitik vierzehn Jahre als umtriebiger Stadtrat engagiert. Er zählte zu den „gemäßigten“ Liberalen oder auch Altliberalen, die in der Tradition des konstitutionellen Liberalismus des Vormärz standen.

1867 zog Walterspiel nach Freiburg und ließ sich hier als Geschäftsmann nieder. 1873 zog er in die Wiehre, die seinerzeit noch dörflich geprägt war und viele kleinbäuerliche Nebenbetriebe aufwies. Er war Bauunternehmer und Architekt, wobei seinerzeit die Abgrenzung wohl noch nicht so deutlich war. In Freiburg betrieb er die Ziegelei Karl Walterspiel.

Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, also vor 150 Jahren, musste Frankreich erhebliche Reparationszahlungen leisten. Hinzu kam das zurückgewonnene Elsass: Geld war da und für Freiburg ein zweihundert Jahre fehlendes Hinterland jenseits des Rheins. Der wirtschaftliche Aufschwung machte sich auch in Freiburg bemerkbar. Die weitgehend noch in den Vaubanschen Festungsanlagen eingequetschte Stadt brauchte Platz und sah ihn südlich der Dreisam in der Wiehre. Stadtrat Walterspiel beförderte die Expansion nach Süden, war am Entwurf des neuen Stadtteils nicht unbeteiligt. Er hatte damit natürlich für seine Baumaterialien und sein Baugeschäft einen wunderbaren Markt vor der Haustür und gründete zur Unterstützung und Beförderung der Umwandlung der Wiehre den Lokalverein Wiehre, der sich 1875 im Grünen Baum in der damals schon existierenden Lorettostraße konstituierte. Man kann getrost sagen, dass die heutige Wiehre aus dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts eng mit dem Namen Walterspiel verbunden ist. Umso mehr ist es völlig unverständlich, dass es die Stadt Freiburg trotz jahrzehntelanger Bemühungen des Bürgervereins bis heute nicht geschafft hat, eine Straße nach Karl Walterspiel zu benennen. Walterspiel prägte den neuen Stadtteil auch, indem er sich für den Bau eines der bedeutendsten Wiehremer Bauwerke, der Johanneskirche persönlich engagierte: Um den Kirchenbau zu finanzieren, verpfändete Walterspiel seine Liegenschaften im Werte von 250.000 Goldmark, das entspricht heute ca. 2,5 Mio. €. Dass er zudem ein Förderer der Höllentalbahn war, sei nicht unerwähnt, ebenso, dass er die Waldfahrwege mit initiiert hat. Oberbürgermeister Winterer hatte in Walterspiel einen kongenialen Mitstreiter für die Entwicklung der Stadt.

Anders als heute die Stadt Freiburg, in deren Bürgerausschuss er von Mitte der 1870er Jahre bis 1882 saß, ehe er Stadtrat wurde, anerkannte Großherzog Friedrich I. Walterspiels Verdienste und schlug ihn 1894 zum Ritter des Zähringer-Löwen-Ordens. Der Revolutionär von 1848/49, umarmt!

1892 fusionierten die Ziegeleien Karl Walterspiel in Freiburg, Adolf Mathis in Merzhausen und Friedrich Moritz im damals noch selbständigen St. Georgen zu den Vereinigten Freiburger Ziegelwerken AG, deren Vorstand er war.

Den Lokalverein Wiehre leitete Walterspiel bis zu seinem Tode am 07.09.1901. Er wohnte in der Günterstalstr. 37, auch heute noch ein schönes Bürgerhaus mit Hinterhaus, links neben der Zasiusapotheke gelegen. Der Eigentümer dieses Gebäudes war er ebenfalls. Natürlich bewohnte er die Bel-Etage im 1. Obergeschoss, im Hof befand sich das Comptoir für die Gypswerke in Au. Walterspiel ging mit der Zeit und hatte Telefon. Seine Nummer im Netz Freiburg: 84!

Der Lokalverein Wiehre, der sich 1905 in Mittel- und Unterwiehre einerseits und Oberwiehre andererseits wegen des immer größer werdenden Stadtteils Wiehre aufteilte und nur zeitweise unter Wilhelm Eschle ein halbes Jahrhundert später wieder zusammenwuchs, wusste um die Verdienste seines Gründers und stiftete 1906 das Walterspieldenkmal auf der Bodlesau oberhalb des Rehbrunnens nahe dem Spemannplatz. Die Ehrenurkunden des Vereins wurden noch Jahrzehnte später durch das Bild des Gründers geziert.

Klaus Winkler