Wie konnte ich jemals den Gedanken hegen, Lehrerin zu werden?

17. März 2020 – lockdown
Es fühlt sich eher nach sieben Monaten an, als sieben Wochen, zum jetzigen Zeitpunkt.

Aber zurück zu den Anfängen: Mal abgesehen von der Angst über diese News, über die Krankheit, über den weltweiten lockdown, über die schrecklichen Nachrichten, ausschließlich ein Thema: CORONA, war das anfängliche Homeoffice und Homeschooling aufregend, neu und hat Spaß gemacht. Aus meiner Sicht der Dinge: Alleinerziehend mit zwei Grundschulkindern in der 2. und 3. Klasse, auf einer Schule.

Ok, wie machen wir das überhaupt, so ganz genau, in der Umsetzung, zu Hause? Wer sitz wo, an welchem Schreibtisch oder Küchentisch, in jedem Zimmer einer. Zu anfangs noch wenige inhaltliche Fragen, alles wurde relativ locker auch von den Lehrern*Innen gehandhabt, wenngleich auch nicht ähnlich, sondern ganz unterschiedlich. Jeder kocht sein eigenes Süppchen, es scheint keine Absprachen zu geben. Es gibt keinen Kontakt, keine Telefonate, sondern Emails. Arbeitsblätter per Email zum Ausdrucken, aha! Die ersten drei Wochen sind ok und wir retten uns in die Osterferien.

Danach geht es weiter, diesmal mit genauen Angaben, zu welcher Uhrzeit am Vormittag, wann, welches Kind, was zu tun hat. Ich sehe mich zwischen zwei Schreibtischen hin- und herrennend „Mama, ich versteh das nicht“, „Mama, jetzt musst Du mir diktieren“, „Mama, Du kannst das sehr viel schlechter erklären, als die Lehrerin“, „Mama, ich hab keinen Bock“ – ja, fragt mich mal! Und was soll ich sagen: EIGENTLICH sollte ich auch in dieser Zeit arbeiten, wer hätte es gedacht. Es folgen tausende Emails mit Erklärungsvideos für Maßumrechnungen und Matheeinheiten, Planänderungen, neuen Arbeitsformen und Arbeitsblättern zum Ausdrucken, oder doch lieber alles Freitagmittag ins Körbchen an der Schule bringen und Montagvormittags wieder an der Schule abholen? Und ja, weiterhin macht es jede/r Lehrer*In anders. Wo war also nochmal was? Und für wen muss ich wann, was machen? Und das Kind: Ich hab echt keine Lust mehr. Und ich: Müsste nach wie vor eigentlich ARBEITEN. Bei allen terminierten Zoom/Teams/Skype-Meetings erscheinen ab jetzt drei Köpfe bei mir auf dem Screen, weil das ist ja spannend. Die Motivation hingegen sinkt bei allen Beteiligten in den Keller. Zum Glück darf ich arbeiten, wann ich möchte. Das hilft mir ungemein. Die zeitliche Flexibilität ist mein Rettungsanker.

Eine weitere große Hürde sollte folgen: Neue Themen, diese müssen ja neu erklärt werden. Man wird automatisch, ohne dass man es möchte, immer mehr zur Lehrerin. Hatte ich bereits erwähnt, dass ich selbst über meinen jugendlichen Wunsch schmunzle, Lehrerin zu werden? Nicht mehr nachvollziehbar, so viel steht fest. Aber, wenn wir schon dabei sind: Was machen diese überhaupt? Die eigentlichen Klassenlehrer*Innen, welche eigentlich den Kindern das alles – und zwar viel besser als ich – beibringen sollten?

Ich hoffe sehr, dass sich um die Kinder, die nicht so viel Glück zu Hause haben, und sich die Eltern vielleicht nicht so kümmern und Zeit nehmen können oder einfach Sprachkenntnisse fehlen, gekümmert wird. Dass sie Hilfe und Aufmerksamkeit bekommen. Wir telefonieren in der Zwischenzeit wöchentlich mit der/m ein oder anderen Lehrer*In, mit Anderen wiederum gar nicht. Wo wird hier unterschieden? Ist nicht ganz nachvollziehbar. Wie auch, wenn die Transparenz fehlt, der Kontakt, die Information, die Gespräche. … Aber gut, ich gebe mich zufrieden, indem ich in der Hoffnung verweile, dass den Kindern, die wirklich Unterstützung brauchen, auch welche zukommt. Ich würde es gerne anders sagen, aber leider bin ich mit der Umsetzung in den letzten sieben Wochen nicht wirklich happy. Wir sind noch nicht am Ende, keiner weiß, wann die Schule wieder weitergeht und wie. Und das Bild der/s sechsarmigen Mama oder Papa – gleichzeitig zwei Kinder unterrichtend, am Laptop, am Telefon, den Kochlöffel schwingend und den Staubsauger betätigend – bleibt … zusammen mit dem Gedanken, dass die politischen Maßnahmen auf diese epidemische Lage von nationaler Tragweite auch angemessen waren und sind. Da mag nun der Eine was anderes denken, als der Andere. Sagen möchte ich nur, dass unter diesen wahnsinnigen Umständen von jedem Einzelnen fast Unmögliches abverlangt wird. Und deshalb wünsche ich mir, dass wir daraus lernen und es in Zukunft besser machen. Die Hoffnung stirbt zu Letzt.

Die Autorin ist der Redaktion namentlich bekannt