Wie sich der Klimawandel schon jetzt auf die Verhältnisse in der Wiehre auswirkt, konnten wir im vergangenen Jahr an zwei Beobachtungen deutlich erkennen: Am 24. August 2023 gab es einen Sturzregen von bisher unbekanntem Ausmaß, so dass viele Keller in der Wiehre vollliefen und Straßen unpassierbar waren. Außerdem ergaben die Messungen an den Straßenbäumen, dass die Wiehre Bereiche hat, die zu den „Hotspots“ gezählt werden müssen, weil hier während sommerlicher Hitzewellen ungesund hohe Temperaturen herrschen.

Nun hat die Stadt seit kurzem eine Klimaanpassungsmanagerin angestellt, die eine „umfassende Klimaanpassungsstrategie“ entworfen hat. Demnach sind in den vorgesehenen Neubaugebieten, wie es seit 2018 gesetzlich vorgeschrieben ist, Maßnahmen geplant, die mit dem Begriff „Schwammstadt“ bezeichnet werden und dazu dienen sollen, dass weniger Regenwasser oberirdisch abfließt, um einerseits Unterlieger vor Überschwemmungen zu schützen und andererseits das Grundwasser zu speisen und dem städtischen, öffentlichen Grün (Parks, Spielplätzen, Baumscheiben) mehr Wasser zur Verdunstung zu bieten.

Die „umfassende Klimaanpassungsstrategie“ der Stadt hat nun den bedeutsamen Fehler, dass sie nicht umfassend ist: Im Bestand sieht das Konzept bisher keine Maßnahmen vor, obwohl sich hier 99 % der versiegelten Flächen befinden. Der Bestand ist damit die größte Herausforderung, wenn man dem Prinzip der „Schwammstadt“ näherkommen möchte, denn um wirksam zu werden, müssen mindestens 25 % der versiegelten Flächen entsiegelt und mit Bäumen bepflanzt werden. Erst dann kommt es zu einer relevanten Abfluss-minderung und zu einer spürbaren Kühlwirkung durch die Verdunstung und den Schattenwurf der Bäume.

Eine Initiative aus dem Regiowasser e.V. schlägt dazu vor, jährlich 0,5 % des öffentlichen Straßen- und Parkplatzraumes zu entsiegeln und mit Bäumen zu bepflanzen. Diese Initiative wird bereits in der Schweiz in verschiedenen Kommunen praktiziert und würde den Fortschritt messbar machen. Eine Gelegenheit zu einem solchen Umbau des Straßenraumes bietet zum Beispiel die anstehende Verlegung neuer Fernwärmeleitungen, wie sie in Bern genutzt wird, um den Straßenraum ökologisch und sozial aufzuwerten.

Statt solcher Initiativen für den Bestand werden in der Wiehre jedoch immer wieder Bäume – auch ohne erkennbare Krankheiten – gefällt und damit die Kühlungskapazitäten im Quartier noch reduziert. Grünbereiche müssen stattdessen nachhaltig geschützt werden und dürfen nicht der Verdichtung ge-opfert werden. Junge Bäume, die sogar manchmal im Quartier als Ersatz gepflanzt werden, können viel weniger Verdunstungskälte produzieren als ausgewachsene Bäume.

Ein Beispiel könnte der Gerwigplatz vor dem Wiehre-Bahnhof sein: Wird er bei der vorgesehenen Umgestaltung zum Schwamm umgebaut oder bleibt er eine Regenwasserrutsche?

Wir dürfen gespannt sein, wie das Klimaanpassungsmanagement auf diese Herausforderung reagiert und die Stadt mit dem Interessenskonflikt Wohn- und Parkraum versus Schwammstadt klarkommt. Was bisher im Handlungsfeld Regenwasser des städtischen Klimaanpassungskonzeptes vorgesehen ist, können Sie über den Link: www.freiburg.de/pb/2174141.html erfahren bzw. mitverfolgen.

Tipp: Wer seine versiegelten Flächen reduziert, kann bei der Regenwassergebühr sparen: geplante oder bereits durchgeführte Veränderung an den versiegelten Flächen formlos dem Eigenbetrieb Stadtentwässerung (ese@stadt.freiburg.de) melden!

Jürgen Bolder