Drei Kutschen mit insgesamt 21 Insass*innen und begleitenden Radfahrer*innen mit und ohne elektrischer An-triebshilfe machten am 4. Oktober eine sonntägliche Ausflugsfahrt wie anno dazumal durch den Sternwald.

Die Waldfahrstraßen in den südlich der Stadt gelegenen Wäldern hat Oberbürgermeister Winterer um 1900 anlegen lassen, um Freiburgs Umgebungslandschaft für Pferd und Wagen aussichtsreich zu erschließen.

Zum 900-Jahr-Jubiläum von Freiburg ein besonderer Anlass, für unseren Bürgerverein zusammen mit seinen benachbarten Bürgervereinen Oberwiehre und Günterstal mit einer Kutschenfahrt diese großartige Idee zu würdigen und dabei gleichzeitig auch der gemeinsamen Bürgervereinsvorsitzenden zu gedenken, so vor allem Wilhelm Eschle und Karl Walterspiel. An der Fahrt nahm auch Freiburgs Erster Bürgermeister Ulrich von Kirchbach teil.

Hans Lehmann (BV Oberwiehre) ge-dachte am Beginn der Fahrt am Eschle-Platz des langjährigen Vorsitzenden des Bürgervereins, Malermeister Eschle, der gegenüber der Maria-Hilf-Kirche seine Malerwerkstatt hatte und sich gleich nach dem Zweiten Weltkrieg als Vorsitzender und Stadtrat Jahrzehnte für seinen Stadtteil Wiehre rund um den „Schützen“ einsetzte.

Am Felsendenkmal hinter dem Mösle-Bahnübergang erinnerte Dr. Karl-Ernst Friederich (BV Oberwiehre) an die Toten der Wiehre, die im letzten Krieg verstorben sind – ein Mahnmal für alle. Auch dieses wurde durch Wilhelm Eschle seinerzeit angeregt und realisiert.

Am Wasserschlössle mit Aussicht auf die Stadt klärte Jürgen Bolder (BV Mittel- und Unterwiehre) über die Wasserversorgung der Stadt auf: Die Laufbrunnen Freiburgs waren infolge des raschen Wachstums der Stadt Ende des 19.Jhd. nicht mehr in der Lage, die Stadt aus dem Mösle mit ausreichend Trinkwasser zu versorgen, weshalb 1895 ein neuer Hochbehälter im Sternwald errichtet wurde. Er wird heute vom Ebneter Wasserwerk sowohl durch eine Wasserleitung im freien Gefälle, als auch mit zwei Druckrohren und Pumpen befüllt. Der Hochbehälter mit seiner eindrucksvollen, burgähnlichen Gestaltung, die dem Stadtsiegel entspricht und sich auch auf vielen Kanaldeckeln findet, wurde 2001 im Sternwald weiter westlich durch einen weiteren Großbehälter ergänzt und damit die Versorgung der Stadt dauerhaft sichergestellt. Zum Probieren gab es bei dieser Gelegenheit ein Gläschen eigens von Herrn Bolder abgefülltes Freiburg-Wasser.

Über den Sternwald als Kinderparadies und Spielort, auch als Aussichtsort auf die Stadt vor allem in der Zeit nach 1945, als ein riesiger Kahlschlag am Brombergkopf eine fantastische Sicht auf die Stadt ermöglichte, erzählte Klaus Füsslin (BV Mittel- und Unterwiehre). Rodeln bäuchlings in einer langen Schlange vom Wasserschlössle bis zum ehemaligen Stellwerk des Bahnhofs Wiehre war seinerzeit die Attraktion. Dass es inzwischen viele Bänke entlang der Waldfahrstraße gibt, die keine Aussicht mehr auf die Stadt erlauben, wird als Mangel empfunden. Dafür gibt es jetzt eine ganz neue Freizeitanlage mit vielen Sportgeräten direkt oberhalb des neuen Wiehrebahnhofs.

Wieder ein Stück weiter machte Jürgen Bolder auf die Breitmatten vor Günterstal als Hochwasserrückhalteraum (derzeit im Ausbau) und Standort vieler Wiesenblumen aufmerksam. In Verbindung mit dem im Bau befindlichen Damm südlich von Günterstal im Bohrertal soll das noch bestehende Hochwasserrisiko des Hölderlebachs endgültig beseitigt werden. Die Breitmatte ist inzwischen Dank der Mühen der „Freunde der Günterstäler Wiese e.V.“ zur artenreichen Blumenwiese geworden. Sie und die Matthiasmatte müssen unbedingt erhalten bleiben und geschützt werden. Am Schusterbrunnen zeigte Dr. Volk (BV Mittel- und Unterwiehre), ehemals Abteilungsleiter der Forstlichen Versuchsanstalt, die Besonderheiten des Waldes rund um Günterstal auf: Forstprofessor Dr. Zentgraf der Universität Freiburg hat in diesen Wäldern die Einrichtung eines Arboretums zusammen mit dem städtischen Forstamt vorangetrieben – eine unvergleichliche Sammlung sowohl einheimischer als auch außereuropäischer Laub- und Nadelhölzer – quasi ein Wachstums-Labor, um die Wuchsbedingungen dieser fremden Gehölze zu studieren. Vor allem Douglasien aus USA, dann Robinien mit ihrem äußerst harten Holz und viele andere Baumarten sind hier in Wuchshöhen teilweise bis über 60 Meter zu finden; darunter auch Deutschlands derzeit höchster Baum: „Waldtraut vom Mühlwald” mit 65 m. Darüber hinaus wies Dr. Volk auf die Bedeutung des Waldes als Hüter des Wasserhaushaltes im Boden hin und auf die dringende Notwendigkeit, den Stadtwäldern die notwendige Pflege und Verjüngung angedeihen zu lassen, eine Generationen übergreifende Aufgabe.

Über Günterstal und seine Geschichte mit heute rund 2200 Einwohnern informierte Angelika Müller (Ortsverein Günterstal): An der ehemaligen Kyburg, vormals Hotel- und Gaststätte, nach dem Zweiten Weltkrieg Rundfunk- und Sende-Studio des SWR, ist nach Abriss der alten Gebäude mit Punkthäusern und neuerdings mit Doppel- und Reihenhäusern östlich der Landstraße zum Notschrei (L124) ein Neubaugebiet entstanden. Der streng geschützte Lebensraum der Haselmaus vereitelte dort den Hochwasserdamm für den Bohrerbach-Polder, der jetzt talaufwärts weiter südlich im Bau ist. Günterstal ist als Dorf bereits 804 in Unterlagen des Klosters St. Gallen erwähnt. 1890 nach Freiburg eingemeindet fährt aus der Stadt seit 1901 die erste Straßenbahn nach Günterstal und führt der 1930 errichteten Schauinsland-Seilbahn viele Gäste zu. Heute gibt es im ehemaligen Klosterdorf nur noch in der toskanischen Villa am nordöstlichen Ende des Ortes ein Benediktinerinnen-Kloster mit einem sehenswerten Heilkräutergarten.

Und weiter hinauf trabten die Pferde mit über 20 Personen in drei Kutschen, außerdem begleitet von einigen Radfahrbegeisterten bis zum Rehbrunnen in der Bodlesau mit seiner Baugeschichte ab 1913 – Rehbrunnen, Hirschbrunnen, dann wieder keiner, eingeschmolzen im Zweiten Weltkrieg, dann erneuert – über nicht eingehaltene Baukosten in dieser ersten Bauzeit, die erst im Nachhinein von den Stadträten damals doch genehmigt und bezahlt werden mussten.

Zum Abschluss der rund 13 km langen Fahrt zog die Kutschenkarawane zum Walterspieldenkmal. Der Ehrenvorsitzende unseres Bürgervereins, Klaus Winkler, gedachte in einem eindrucksvollen Statement des ersten Vorsitzenden eines Freiburger Bürgervereins überhaupt. Karl Walterspiel gelang es, in Verbindung mit OB Winterer im Jahr 1907 nicht nur diesen Waldstraßenparcour zu bauen, sondern darüber hinaus in seinem jahrzehntelangen Wirken als Stadtrat die Wiehre zu ordnen und mitzu-gestalten. An seinem Gedenkstein, dessen Schriftzug an-lässlich des Stadtjubiläums vom Bürgerverein aufgefrischt worden war, fand die Kutschenfahrt mit einem Gläschen Öko-Wein, kredenzt vom Weingut Dilger aus der Wiehre, bei strahlendem Sonnenschein ein wunderschönes Ende.

Klaus Füsslin

Wer diese insgesamt 12,6 km lange Strecke nachlaufen oder radeln möchte, kann gerne auf der Webseite des Bürgervereins die genaue Wegbeschreibung inkl. Ausschnitte der Redebeiträge/Erläuterungen herunterladen.