Ab 16. März fährt die neue Straßenbahnlinie 5 von der Basler Straße abzweigend über die Kronenstraße und Kronenbrücke auf dem inneren Ring bis zum Europaplatz (Siegesdenkmal).Rückblende: Vor zwanzig Jahren tobte der Kampf um die Linienführung der Straßenbahn durch die Unterwiehre und endete mit einem Bürgerentscheid am 25. Juli 1999.

Eine Straßenbahn durch die Basler Straße stand bis 1993 nicht zur Diskussion; durch die Basler Straße führte die Buslinie nach St. Georgen. Immerhin war 1911 eine Straßenbahnlinie durch die Schreiberstraße über die Kronenbrücke durch die Kronenstraße bis zur Gabelung Basler Straße geplant worden. Ende der 1960er Jahre gab es Phantasten, Bus und die restlichen Straßenbahnen durch ein Kleingondelsystem abzulösen – Gondeln, die an Stahlseilen hingen und rechnergesteuert jede eingegebene Anschrift in Höhe des ersten Obergeschosses anlaufen sollten.

Ende der 1970er Jahre kam die Renaissance der Straßenbahn als leistungsfähiges Transportmittel. Über Jahre hinweg wurde ab 1993 eine Linie durch die Basler Straße, später dann auch durch die Kronenstraße geplant; der Gemeinderat entschied sich mehrheitlich für die Basler Straße und gegen die Ringtrasse über die Kronenstraße. Eine von wesentlichen Teilen der Verwaltung und auch zahlreichen Gemeinderäten unterstützte Gruppierung versuchte nun, diese Trassenführung gegen den Gemeinderatsbeschluss mit Hilfe eines Bürger-entscheides durchzusetzen.

Der Streit über die Frage: Soll die Stadtbahn Haslach über die Kronenstraße und den Ring (Werder-, Rotteck- und Friedrichring) zum Siegesdenkmal mit Anschluss an die Kaiser-Joseph-Straße gebaut werden (Variante B), führte zu heftigen Auseinandersetzungen in der gesamten Stadt, ganz besonders aber in der Unterwiehre. Der Bürgerverein setzte sich vehement für die Linienführung durch die Basler Straße ein, konnte sich als Alternative aber die alte Linie 5 aufgreifend eine Linienführung über die Heinrich-von-Stephan-Straße zum Bahnhof und von dort aus zum Friedrichring vorstellen – die Kronenstraßentrasse lehnte er ab. In mehreren Mitgliederversammlungen wurde die Position auch mit überwältigender Mehrheit, teilweise sogar einstimmig bestätigt. – Dies führte zu einer Gegengründung – „Lebenswerte Wiehre“, die mit den Befürwortern der Ringlinie den Bürgerverein heftig bekämpfte. Da die Protagonisten beider Vereine in der gleichen Straße wohnten, ging das zum Teil in den persönlichen Bereich.

Was bewog den Bürgerverein, für die dann später auch gebaute Trasse durch die Basler Straße zu votieren? Dazu muss man die Verkehrssituation in der Basler Straße in den letzten Jahrzehnten in Erinnerung rufen: Sowohl die B 31 als auch die B 3 wurden durch die Wiehre geführt – auf der Basler Straße. Offiziell zweigte von dort aus die B 3 nach Norden durch die Kronenstraße auf den Innenstadtring ab, während die B 31 weiter nach Osten durch die Talstraße verlief. Die Folge: Ein immenser Verkehr auf Basler Straße, Kronenstraße und Talstraße.

Der Ausbau der Heinrich-von-Stephan-Straße stand nach Verlegung der Merzhauser Straße an. Der Durchgangsverkehr nach Osten wäre aber längerfristig erhalten geblieben. Nur eine Straßenbahn durch die Basler Straße konnte diesen Verkehr mit zunehmender Zahl von Lastzügen reduzieren. Gleichzeitig bot eine Fortführung der Straßenbahn durch die Talstraße zur Ganterbrauerei den von Verwaltung und VAG immer wieder gewünschten Bypass für die neuralgische Kreuzung Bertoldsbrunnen.

Die faktische Stilllegung der Basler Straße führte zudem zur Verkehrsberuhigung in den Querstraßen Schwimmbadstraße, Goethestraße und Kirchstraße und damit wieder auch in der Konradstraße. Dass die Ausführung in der Basler Straße mit einem scharfkantig abgetrennten Gleisbett nicht der Weisheit letzter Schluss war, wusste jeder, lag aber an den Vorgaben der Landesregierung, wie der damalige Baubürgermeister von Ungern-Sternberg immer wieder betonte.

Die alternativ vorgeschlagene Linienführung über die Bahnhofsachse hatte den Charme, dass der Zubringer Mitte auf einer Brücke überquert und eine niveaugleiche Kreuzung
vermieden worden wäre.

Am 25. Juli 1999 erreichte der Bürgerentscheid nicht das notwendige Quorum, um den Gemeinderatsbeschluss abzuändern.

Oberbürgermeister Rolf Böhme hatte sich für die Ringtrasse eingesetzt und in einem Interview am Ende seiner Amtszeit 2002 diesen Bürgerentscheid als seine herbste Niederlage angesehen. Zwischen dem Autor als dem Sprecher der Befürworter der Trassenführung durch die Basler Straße und Böhme wurden diese Spannungen schon eine gute Woche nach dem Bürgerentscheid bei Böhmes 65. Geburtstag beigelegt.

Im Herbst 2001 wurde der Ausbau der Heinrich-von-Stephan-Straße beschlossen und dieser Ausbau auf Antrag des Oberbürgermeisters an den zusätzlichen Bau der Ringlinie gekoppelt. Mit der Inbetriebnahme dieser Linie am 16. März 2019 ging Rolf Böhmes Wunsch in Erfüllung – er hat das leider nicht mehr erleben können.

Der Versuch des Bürgerforums „Lebenswerte Wiehre“ einen Gegenverein zum Bürgerverein zu bilden, scheiterte zehn Jahre später.

Klaus Winkler