Ein Gespenst geht um in der Wiehre: Es heißt „Nachverdichtung in der zweiten Reihe“.
Aktuell beschäftigt die Bebauung in der Kronenstraße 21 und deren Nachbargrundstück Kronenstraße 19. Aber auch die aktuell angedachte Bebauung in der unmittelbaren Nachbarschaft des Lorettobades im Bereich Maximilianstraße auf den dort angrenzenden privaten Tennisplätzen, welche seit geraumer Zeit nicht mehr genutzt werden, führen zu regen Diskussionen.
Judith Brauner und die anderen Anwohner der Kronenstraße sind in Sorge: Das Haus Kronenstraße Nummer 21 wurde von einem Immobilieninvestor erworben. Er erhielt ein Baurecht für einen Neubau anstelle der alten Garagen im hinteren Teil des Grundstücks.
Dabei erstaunt, dass die Stadt die Baugenehmigung gegenüber der Badischen Zeitung (siehe Artikel BZ vom 21. Februar) auf einen Bebauungsplan aus dem Jahre 1966 gestützt haben will. Denn genau auf diesen Bebauungsplan von Seiten des Autors dieses Artikels angesprochen, vertrat die Stadtverwaltung noch die Ansicht, dass dieser Bebauungsplan, wie die meisten Bebauungspläne aus den 60er Jahren, aufgrund formaler Fehler wohl nichtig sei. Wie also der Investor tatsächlich Baurecht für den Ersatzbau der Garagen erhalten hat, bleibt konkret im Dunkeln.
Kein Dominoeffekt in der „zweiten Reihe“
Unbestritten bleibt aber, dass die großzügigen Gartengrundstücke im Bereich der Kronenstraße genauso wie im Quartier der Schwimmbad-, Basler- und Goethestraße ein enormes Nachverdichtungspotenzial bieten. Die Crux: Für diese Quartiere gibt es derzeit keinen gültigen Bebauungsplan. Eine mögliche Nachverdichtung wird baurechtlich somit nur nach Maßgabe des § 34 Baugesetzbuch entschieden oder geregelt. Umso mehr ist daher jegliche Bebauung in der zweiten Reihe, sei sie auch im Falle der Kronenstraße 21 rechtmäßig und legitim, äußerst kritisch zu sehen. Denn ohne gültigen Bebauungsplan kann nicht ausgeschlossen werden, dass Investoren und Bauherren sich mit Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal „Einfügen“ (§ 34 Abs.1 S.12. HlbS. BauGB) auf den künftigen Präzedenzfall Kronenstraße 21 berufen können.
Ähnliches gilt für die geplante Bebauung im Bereich der Maximilianstraße. Wobei unbestritten ist, dass die dortige Bebauung absolut sinnvoll ist. Doch auch hier stellt sich die Frage, inwieweit dieses Bauvorhaben dereinst „Blaupause“ für ähnliche rückwärtige Nachverdichtungen sein könnte.
Selbstverschuldete baurechtliche Unmündigkeit der Stadt?
Das Dilemma besteht aus Sicht des Bürgervereins darin, dass flächendeckend in den Quartieren rund um die Schwimmbad-, Goethe- oder Konradstraße sowie im Bereich der Beethovenstraße eben keine entsprechenden bauordnungsrechtlichen Vorkehrungen getroffen sind, um eine geordnete und über das Satzungsrecht auch im Gemeinderat demokratisch herbeigeführte und legitimierte Stadtentwicklung zu ermöglichen.
Es geht dem Bürgerverein mitnichten darum, jegliche Nachverdichtungen oder gar sinnvolle Bebauung in der zweiten Reihe prinzipiell zu verhindern. Es geht uns vielmehr darum, eine Diskussion in der Stadt mit der Verwaltung und im Gemeinderat über eine Entwicklungsperspektive in der Wiehre zu entfachen. Solange die Stadt auf ihre Gestaltungsinstrumente z.B. in Form von Bebauungsplänen verzichtet, läuft sie aus Sicht des Bürgervereins Gefahr, weiterhin „Getriebene“ möglicher Bauherren und/oder Investoren zu sein. Die Vergangenheit hat gelehrt, dass die Stadt häufig genug das Nachsehen hatte, wenn Investoren oder Bauherren mit Berufung auf § 34 BauGB ihre häufig sehr kritischen und diskussionswürdigen Bauvorhaben am Ende dennoch genehmigt bekamen. Aus Sicht der Bürgerschaft darf sich die Stadt nicht länger in eine selbstverschuldete Unmündigkeit begeben. Seit Jahren fordern die Bürgervereine, dass die Stadt über die Instrumente des Bauplanungsrechts und Bauordnungsrechts wieder das Heft des Handelns in die Hand nimmt und eine strukturierte und geordnete Stadtteil- oder Quartiersentwicklung ermöglicht. Dies hätte auch den Vorteil, dass im Rahmen der Schaffung dieses Bauordnungsrechts eine öffentliche Diskussion unter Einbeziehung aller Beteiligten einschließlich des Gemeinderates möglich würde.
Aussagen und vorläufige Einschätzungen sind keine Fakten
Die jüngsten Entwicklungen um die Baustelle Kronenstraße 21, die dann doch entgegen der ursprünglichen Aussage der Stadtverwaltung gegenüber den Anwohnern aber auch der Badischen Zeitung (siehe Artikel BZ vom 23. Februar 2020) mit massiven Baumfällarbeiten auf dem Grundstück Kronenstraße 19 einhergehen, mahnen zur Vorsicht.
Deswegen bleibt der Bürgerverein auch verhalten skeptisch, wenn sich die Stadtverwaltung von der Badischen Zeitung am 21. Februar mit Blick auf mögliche Nachverdichtungen im Bereich der Kronen-, Schwimmbad-, Basler- und Goethestraße mit den Worten zitieren lässt: „Eine weitere rückwärtige Bebauung [wird] derzeit städtebaulich als nicht wünschenswert angesehen.“
Mit Blick auf die Vorgänge Bebauung Kronenstraße 21 mit Baustellenzufahrt über Kronenstraße 19 haben die Ausführungen der Stadt sowohl gegenüber den anfragenden Nachbarn als auch gegenüber der Presse erheblich an Verlässlichkeit eingebüßt. Von daher steht zu befürchten, dass, so lange die Stadt und insbesondere der Gemeinderat nicht ihren Worten Taten folgen lassen und endlich von ihrem Recht des Bauordnungsrechts Gebrauch machen, der Aussage „derzeit städtebaulich als nicht wünschenswert“ wahrscheinlich nur eine kurze Halbwertszeit beschieden ist.
Justus Kampp