140 Jahre Bürgerverein Mittel- und Unterwiehre: jünger.dichter.ruhiger
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140 Jahre Bürgerverein – Wie hat sich die Wiehre und unser Bürgerverein in dieser Zeit entwickelt? Lesen Sie dazu ein Gespräch zwischen dem aktuellen Vorstandsvorsitzenden unseres Vereins und seinen beiden Vorgängern.
Mit 140 Jahren ist der Bürgerverein Mittel- und Unterwiehre der älteste Freiburger Bürgerverein. Er hat die Entwicklung des Stadtteils maßgeblich mit geprägt. Was wird im Rückblick deutlich? Wo liegen Aufgaben und Chancen für die Zukunft? Der Ehrenvorsitzende Klaus Winkler, der ehemalige Vorsitzende Eugen Reinwald und der amtierende Vorsitzende Justus Kampp trafen sich zum Meinungsaustausch über den Stadtteil und den Verein.
Wiehre Journal: Im Rückblick, was hat sich an und in der Wiehre in den letzten Jahrzehnten geändert?
Reinwald: Die Wiehre ist vor allem jünger geworden. Sie hat sich über die Jahre immer mehr verjüngt. Waren Kinder früher eher eine Seltenheit, prägen Familien mit Kindern heute
wieder die Wiehre.
Winkler: Stimmt! Als wir damals mit unseren Kindern in die Goethestraße zogen, waren wir mit wenigen anderen die Exoten. In der Tat, die Wiehre ist jünger geworden.
Reinwald: Das ist gut. Schulen und Kindergärten sind voll und werden zum Teil ausgebaut. Übrigens hat die Wiehre die meisten Schulen, Kindergärten und Kitas in Freiburg.
Kampp: Allerdings ist es auch so, dass die steigenden Preise für immer mehr Familien die Wiehre kaum bezahlbar machen. Bezahlbarer Wohnraum ist eines der heutigen Probleme.
Winkler: Was nicht immer so war. Denken wir an die 60er Jahre. Da war die Wiehre „out“. Altbauten hatten wenig Komfort in Bad und Heizung.
Reinwald: Stimmt. Viele wollten damals in die neuen Stadtteile. Wohnungen mit richtigen Bädern! Das leitete auch den Wandel in Handel und Gewerbe ein. Während es früher in der Wiehre viele Handwerksbetriebe und Händler gab, sind diese bis auf wenige Betriebe verschwunden oder abgewandert.
Kampp: Und haben Platz für Neues geschaffen. Allerdings: Die Nahversorgung im Stadtteil ist gewährleistet. Mit Blick auf die Zukunft denke ich, dass aber eine zunehmend älter werdende Bevölkerung auch wieder neue Dienstleistungen im Quartier nachfragen wird. Diesen Wandel gilt es aktiv von Seiten des Bürgervereins zu begleiten.
Reinwald: Was sich sicherlich geändert hat, ist der soziale gewachsene Zusammenhalt in der Wiehre. Stammtische, Vereinsleben – all das ist heute kaum noch da! Schade eigentlich.
Kampp: Aber kein spezifisches Problem unseres Stadtteils.
Wiehre Journal: Was hat sich zum Positiven geändert?
Winkler: Auch auf die Gefahr hin, gesteinigt zu werden: der Verkehr! Wir haben es mit viel Einsatz geschafft, den Verkehr in der Basler- und der Talstraße sowie in den Querstraßen hin zur Schillerstraße erheblich zu beruhigen. Auch wenn die heutige Situation weiß Gott nicht optimal ist, und was die Lorettostraße anbelangt zum Teil kritisch ist, ist das unterm Strich ein Fortschritt.
Kampp: Womit wir auch bei der steten Forderung nach einem integrierten Verkehrskonzept für die Wiehre wären. Der
Bürgerverein will hier endlich Taten sehen und selbst aktiv werden. Der Verkehr, auch die Fußgänger- und Radverkehre sollten besser geplant werden.
Reinwald: Da gebe ich dir Recht! Der Verkehr ist und bleibt ein Dauerthema im Stadtteil. Die Stadt machte und macht es sich aus meiner Erfahrung hier zu einfach.
Winkler: Nun, mein größter Wunsch wäre, noch zu Lebzeiten durch den Stadttunnel zu fahren! Allerdings mit deutlichen Verbesserungen oberirdisch.
Reinwald: Ja, wenn sich trotz Stadttunnel an der Verkehrsführung oberirdisch nichts ändert, wäre das fatal für die Stadt und unseren Stadtteil.
Wiehre Journal: Gibt es negative Entwicklungen im Stadtteil?
Reinwald: Die immer höhere Baudichte darf nicht dazu führen, dass unser Stadtteil sein Gesicht verliert.
Winkler: … was bisher noch gelungen ist.
Kampp: Aber was verteidigt werden muss. Die aktuellen
Bauentwicklungen sind immer wieder auch der Versuch, noch mehr zu verdichten. Im Einzelfall stets gut begründet und nachvollziehbar, in der Summe aber kritisch.
Reinwald: Sehe ich auch so. Die Wiehre hat viel Grün. Das sollte auch so bleiben!
Wiehre Journal: Der größte Erfolg in der jüngeren Geschichte des Bürgervereins war wohl die Rettung des Lorettobades. Wie gelang dem Verein damals dieser Coup?
Winkler: Das Bad entsprach in den 90er Jahren des letzten Jahrtausends nicht mehr den rechtlichen Auflagen, denn Badewasseraufbereitung wurde vorgeschrieben. Die Stadt wollte mittels eines politisch hochgerechneten Preises von 10 Mio. DM das Bad ins Aus befördern.
Reinwald: …die Pläne für eine Überbauung waren schon da! Da mussten wir schnell handeln.
Winkler: Und es ist Eugen Reinwald zu verdanken, dass er mit seinem Fachwissen eine weitaus kostengünstigere Sanierung vorschlagen konnte. Durch den Verkauf der Flächen für die Vorwärmbecken konnte dann die – unter Böhme berühmte – „In-Sich-Finanzierung“ sogar realisiert werden. Das war die Rettung!
Wiehre Journal: Apropos OB Böhme. Der Verein und sein Verhältnis zu Politik und Verwaltung, was hat sich hier geändert?
Reinwald: Unter OB Böhme gab es ein engeres und vertrauensvolleres Zusammenarbeiten.
Winkler: In der Tat. Böhme hat seinerzeit die Bürgervereine bewusst aufgewertet. Er hatte erkannt, dass er die Vereine braucht, um aus den Stadtteilen Basisinformationen zu bekommen und – umgekehrt – mit Hilfe der Vereine in die Quartiere zu vermitteln. Das war aber bei weitem nicht immer konfliktfrei! Vereinnahmen haben wir uns nicht lassen!
Kampp: Aber die parteipolitische Prägung haben die Bürgervereine immer mehr verloren. Es geht heute in erster Linie um aktive Stadtteilentwicklung. Die Kontakte zur Stadt sind da und zum Teil sehr gut. Allein, die Bürgervereine merken schon, dass die Politik sich mit der starken Sonderstellung der Vereine bisweilen schwer tut.
Wiehre Journal: Die Wunschfee kommt nach 140 Jahren Bürgerverein. Ihre drei Wünsche für Stadtteil und Verein?
Winkler: Erster Wunsch: Dass der Bürgerverein weiter wächst und das Forum für Anliegen im Stadtteil bleibt. Zweitens: Dass der Stadttunnel kommt und unserem Stadtteil neue Räume öffnet. Drittens: Dass die Wiehre weiter ihr Gesicht bewahrt und ein bunter Stadtteil bleibt!
Reinwald: Erster Wunsch: Ein echtes Verkehrskonzept für die Wiehre. Zweitens: Der Verein soll weitermachen und die Entwicklung mit vorantreiben. Drittens: Keine brutalen Veränderungen, die Wiehre mit ihrem Baubestand – davon 90 % denkmalgeschützt – soll so bleiben.
Kampp: Erstens: Ein städtebauliches und verkehrliches Konzept, dass langfristig trägt. Zweitens: Den Erhalt der Grünflächen und Gärten in der Wonnhalde und am Lorettoberg. Drittens: Dass der Bürgerverein von Bürgern, aber auch von der Stadt als Stadtteilentwicklungsplattform verstanden und genutzt wird.
„140 Jahre Bürgerverein“ – Sommerfest
 
Unseren würdigen Geburtstag wollen wir mit einem fröhlichen Gartenfest feiern. Alle Wiehremerinnen und Wiehremer sind herzlich eingeladen.
Datum: 18.Juli 2015, 15:00 bis 18:00 Uhr
Ort: Garten des alten Franziskanerklosters, Günterstalstraße 59
Programm: Spielmobil, Live-Musik, Lesung von Ullo von Peinen, Jonglage, Märchenerzählerin, Bewirtung
wappen
Das Wappen des Bürgervereins Mittel- und Unterwiehre e.V. leitet sich vom Wappen der Adelsfamilie TURNER ab. Die Familie gehörte zu den Freiburger Bürgern, die im 13. Jahrhundert im Breisgau im Silberbergbau wohlhabend wurden. Die Silbergruben wurde den bürgerlichen Familien zur Ausbeutung überlassen. Mit dem Erwerb des Besitzes kam der Eintritt in den Adelsstand.
Die Turner leiteten ihren Namen vom „Turnsee“ im Dorf Adelhausen ab, das im Jahr 1309 noch ein Wasserschloss mit Turm besaß. Adelhausen ist später in der Wiehre aufgegangen. Der Name „Turnsee“ ist noch heute in der Turnseestraße präsent. Ende des 15. Jahrhunderts starb das Geschlecht der Turner aus.
Walterspiel
Karl Walterspiel gründete 1875 den Lokalverein „Wiehre“ – den ersten Bürgerverein in der Stadt. Er war von 1875-1901 auch dessen erster Vorstand. Über den eindrucksvollen Mann haben wir im Frühjahr berichtet. Die Mitglieder-Urkunde zeigt Stadtrat Walterspiel. Die Ehrenurkunde wurde Herrn Karl Hofmann für langjährige treue Mitgliedschaft am 10. November 1928 verliehen.