Sehr geehrte Redaktion,

in Ihrem Artikel über vermeintlich nicht greifenden Denkmalschutz und Gentrifizierung am Beispiel der Lorettostrasse 8 karikieren Sie den Denkmalschutz als schwache Marionette finanzstarker Investoren.

Das Haus wurde von uns – einer sechsköpfigen Familie – zu Wohnzwecken erworben. Intensive Untersuchungen mit Fachleuten der Denkmalpflege ergaben, dass vom alten Kern des Gebäudes nur noch Keller und Anteile der Grundmauern existieren. Das Ziel besteht nun darin, die prägnanten Charakterzüge des Siedlungshauses, zu dem es im 20. Jahrhundert transformiert wurde, zu erhalten und es umfassend zu sanieren. Größere strukturelle Veränderungen sind lediglich für einen Anbau vorgesehen, der nicht zum ursprünglichen Kern des Gebäudes gehört. Diese Anpassungen sollen das Gebäude für die Bedürfnisse einer Familie optimieren, einschließlich einer Verbindung zu einer Garage aus dem 20.Jahrhundert.

Man mag von dem (sorgfältig ausgearbeiteten) Sanierungsplan halten was man will, der Vorwurf der Gentrifizierung ist grotesk. Hier zieht eine Familie mit vier Kindern zu, die auf dem allgemeinen Freiburger Mietmarkt keinerlei Chancen auf ein Angebot hatte. Die Anzeigenlandschaft (z.B. «Wiehre» Journal Nr. 82, S.16) zeigt dies ganz konkret: Paare ohne Kinder, Haustiere, Lärm haben allenfalls noch eine Chance. Manchmal wird es noch konkreter, wenn für eine 200m2 Wohnung ein kinderloses Professorenehepaar gesucht wird. Im Falle der Lorettostrasse 8 wird die Wohnfläche von fünf Singles zukünftig sechs Personen und zwei Haustieren als Wohnraum dienen – im Gegensatz zum erhöhten Wohnflächenbedarf von Gentrifiern liegt hier also eine optimierte Wohnraumnutzung vor.

Das angemahnte achtsame Vorgehen mit dem Bauvorhaben muss auch Leitplanke für die journalistische Arbeit des Autors sein. Fehlinformationen, wie die Behauptung, es sollen tiefgreifende strukturelle Änderungen im Kern des alten Haupthauses stattfinden, sind Ausdruck nachlässiger Recherche oder einer politischen Motivation hinter dem Artikel. Da die Nachbarschaftsbeteiligung keine Kritik zu Tage gefördert hat, wären für die im Artikel getätigten Behauptungen zu Ängsten der Nachbarschaft unbedingt Quellenangaben wünschenswert, eine Instrumentalisierung der Nachbarschaft ist ansonsten nicht auszuschliessen. Zu solidem Journalismus hätte auch eine Gesamtschau aller Informationen gehört, ggf. sogar eine Kontaktaufnahme mit uns, wobei natürlich eine Familie mit vier Kindern das Bild der Gentrifizierung konterkariert hätte.

Zusammenfassend ist dies aus unserer Sicht Klischee-bedienender «Journalismus», der sich nicht die Mühe macht, genauer hinzusehen und der Komplexität des Themas gerecht zu werden. Vorwürfe der Gentrifizierung – als Universalmetapher im Kontext eines auch ansonsten emotional aufgeladenen Duktus («Luxus-Domizil») – helfen nicht weiter im Sinne eines förderlichen Diskurses um Erhalt, Aufwertung und Sozioökonomie in gewachsenen Vierteln. Statt der üblichen Reflexe wären taugliche Rezepte, wie man unter den aktuellen Bedingungen der Bau- und Kreditkosten alte Bausubstanz vor dem Verfall retten kann, dringend notwendig. Ansonsten muss der Eindruck entstehen, dass der Wortführer sich darin gefällt, dem Verfall alter Bausubstanz lamentierend zusehen.

Mit freundlichen Grüssen,
Mascha Binder & Bernward Wollenschläger