Seit ca. einem Jahr haben wir nicht mehr über den Stadttunnel berichtet (letzter Bericht siehe WJ 69). Neue amt-liche Verlautbarungen dazu gibt es nicht. Dafür aber neue Fakten:

  • Seit 26.09.2021 hat Deutschland eine politisch anders zusammengesetzte Bundesregierung. Der bayrische Einfluss im Verkehrsministerium ist ad acta, die neue Regierung hat verkehrliche Belange mit anderen Gewichtungen stärker in die Hände der FDP gelegt.
  • Die Autobahngesellschaft, seit 2021 neuer zuständiger Ansprechpartner für das Stadttunnelprojekt, kämpft derzeit am Arbeitsmarkt um gut ausgebildetes Personal und tut sich schwer, diesen Personalmangel zeitnah zu beheben. Ein zügiger Planungsfortschritt beim Stadttunnel ist nicht festzustellen. 
  • Die neuen und großen finanziellen Anstrengungen der Regierung zur Umstellung auf eine grüne Energieversorgung, im Verkehr auf CO-Reduzierung durch Elektromobilität und zugunsten eines stärkeren Eisen-
    bahnverkehrs, werden dafür sorgen, dass wohl manche Verkehrsprojekte, insbesondere was die Straße betrifft, trotz ihrer bisherigen Absicherung im derzeit noch gültigen Bundesverkehrswegeplan nicht unbeschadet fortgeschrieben werden können.
  • Dies und die sich derzeit rasch ändernden Voraussetzungen und Bedingungen im Straßenverkehr infolge Antriebstechnik und Automation lassen wohl eher erwarten, dass das Verkehrssystem Straße sich in Zukunft verändert, weiterentwickeln wird. Ist eine immer weiterwachsende Straßenverkehrszunahme wirklich unausweichlich oder vielleicht doch ein bequemer Denkfehler?
  • Eine Gruppe von Bürger*innen denkt in Freiburg darüber nach, wie die äußerst lange Bauzeit des derzeitigen Stadttunnelprojektes – Fertigstellung wohl frühestens nach 2040 – für die Bewohner*innen entlang der mindestens 2 km langen Baustelle leichter ertragen werden kann. Die Auswirkungen dieser Maßnahme für die Bürger*innen der Altstadt, des Sedanviertels, der Mittel- und Unterwiehre, der Oberwiehre-Waldsee ist enorm. Für diese Quartiere, aber auch für die Gesamtstadt, wird der Verkehr nach/von Osten während der Bauzeit massiv erschwert sein und infolge eingeschränkter Straßenbahnverbindungen in und aus Richtung Littenweiler lästig werden.

 Aus der Bürgergruppe um den ehemaligen SC-Trainer Volker Finke kommt der Vorschlag, alle politischen Kräfte zu mobilisieren, sodass alsbald auf der B 31 ein Verbot des Schwerlastverkehrs über 12 t erreicht wird. Der europaweite Schwerlastverkehr habe auf dieser Straße nichts zu suchen. Dafür sollen andere, leistungsfähigere Straßenverbindungen genutzt werden. Eine quasi Schwarzwaldautobahn durch die Hintertür dürfe es nicht geben, auch schon im Hinblick auf die Ferien-erholungsgebiete des Schwarzwalds. Eine A 860 bis zum geplanten Ganterknoten-Vollanschluss im Tunnel zu realisieren,  also mitten in die Stadt hinein, würde sich negativ auf das Stadtbild auswirken.

Der BV Mittelwiehre-Unterwiehre beobachtet die sich verstärkende Diskussion mit großer Aufmerksamkeit. Eine dauerhafte Einschränkung der Tonnage auf der B 31 – ähnlich wie die bereits verfügte Geschwindigkeitsbeschränkung – könnte zwar die Akzeptanz für eine jahrzehntelange Baustelle im Weichbild der Stadt Freiburg erleichtern. Dies könnte aber auch zur Streichung des horrend teuren Autobahnprojekts (die Schätzungen liegen bei ca. € 500 Mio.) aus dem Bundesverkehrswegeplan führen. Gibt es vielleicht sogar – aufgrund der wachsenden automatischen Fahrweise vor allem beim LKW – alternative Lösungen, als diese für Freiburg einschneidende Straßenverkehrslösungen? Liegen wirklich alle Argumente auf dem Tisch? Gleichzeitig besteht immer noch die Weisheit: „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“. Zurecht muss man sich dann fragen, ob der Tunnel wirklich den erhofften Nutzen im Vergleich zu den Kosten bringt. Wir leben heute in Zeiten einer Klimakrise, die uns zwingt, Entscheidungen aus dem letzten halben Jahrhundert zu überdenken und neu zu diskutieren.

Klaus Füsslin u.a.