Das Haus Lorettostraße 14
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Das Haus Lorettostraße 14 ist eines der wenigen verbliebenen baulichen Relikte der dörflichen Wiehre im Bereich des historischen Ortskerns des ehemaligen Dorfes Adelhausen (im Folgenden als „Ortskern Adelhausen“ bezeichnet).
Das Gebäude darf zum engeren Ortskern Adelhausen gerechnet werden und bildet zusammen mit dem früheren Schulhaus (Lorettostr. 8), den Häusern an der Südseite des Annaplatzes sowie der Kirche St. Cyriak & Perpetua („Annakirchle“) ein Ensemble von Gebäuden aus der Zeit vor 1860 und damit vor dem Einsetzen des gründerzeitlichen Baubooms. Obwohl das Ensemble durch die drei um 1900 entstandenen Gebäude Lorettostraße 10-12 eine optische Störung erfährt, ist durch die lang zurückreichende Geschichte des Wirtshauses „zum Grünen Baum“ (Lorettostraße 12) und dessen frühere Funktion als Gemeindestube zumindest ein thematischer Zusammenhang mit den Jahrhundertwende-bauten gegeben. Zur Sachgesamtheit darf auch die charakteristische Straßenstruktur im Umfeld des Kirchplatzes (Annaplatz) gerechnet werden: Lorettostraße, Kirchstraße und der Zufahrtsweg von der Lorettostraße zum Kirchplatz weisen sich durch ihre unregelmäßige Linienführung als Relikte der früheren Dorfstruktur aus.
Häuser aus der Zeit vor 1860 – ein Auslaufmodell im Stadtteil Wiehre
Gründerzeitlicher Bauboom und Modernisierungen im 20. Jh. haben im Bereich der einstigen Siedlung Adelhausen fast alle baulichen Zeugnisse der dörflichen Vergangenheit verschwinden lassen. Der geringe verbliebene Bestand wurde in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg nochmals deutlich reduziert. Dabei verschwanden auch Gebäude von besonderer kulturgeschichtlicher Bedeutung wie etwa das alte Octroihaus in der Basler Straße. In der Kirchstraße mussten mindestens drei einstige Ackerbürger- bzw. Taglöhnerhäuser Neubauten weichen.
Neben dem aktuell vom Abbruch bedrohten Haus Lorettostraße 14 existieren im Ortskern Adelhausen heute nur noch weniger als zehn Gebäude (Hinterhäuser nicht eingerechnet) aus der Zeit vor 1860. Zu diesen gehören:

  • das Haus Kirchstraße 42,
  • das Haus Lorettostr. 8 (ehem. Schulhaus),
  • Teile der Häuser Annaplatz 11 und 12,
  • die Kirche St. Cyriak & Perpetua.

Fassadengestalt
Es handelt sich um ein zweigeschossiges, traufständiges Gebäude mit Satteldach. Vier Fensterachsen gliedern die Fassade. Zum Hochparterre führt eine auf den Gehweg vorspringende Treppe. In das mit Wellziegeln gedeckte Dach sind drei Großgauben eingebaut. Die breiten Sandsteinfenstergewände schließen bündig mit der
Fassade; die Sohlbank tritt um Weniges vor. Die Fensterläden sind massiv und weisen im oberen Bereich jeweils vier kleine Löcher sowie in den Ecken Beschläge als Winkeleisen auf. Erstes und zweites Geschoss sind durch einen Taustab voneinander abge-
setzt. Die Putze der beiden Hauptgeschosse sind leicht unterschiedlich.
Datierung
Das vorhandene Archivmaterial und die Fassadengestalt erlauben keine gesicherte Datierung des Gebäudes. Einige Hinweise sprechen dafür, dass zumindest das erste Geschoss, vielleicht aber auch das gesamte Gebäude in wesentlichen Teilen aus der Zeit um oder vor 1814 stammt.
Aus den wenigen vorliegenden Fakten lassen sich drei denkbare Szenarien konstruieren:

  1. Erbaut in der heutigen Gestalt vor 1806 mit einem Dachstuhl, der als Speicher diente. In späteren Jahren (vielleicht in den 1870ern) Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnungen. Damals noch mit kleineren Gauben. Im 20. Jh. Einbau der heutigen Gauben.
  2. Erbaut vor 1806 als einstöckiges Taglöhnerhaus. Abriss und Neubau oder Umbau zur heutigen Gestalt um 1814. Weiter wie bei 1.
  3. Erbaut vor 1806 oder um 1814 als einstöckiges Taglöhnerhaus. Zu einer späteren Zeit Aufstockung auf zwei Stockwerke.

Eindeutige Ergebnisse könnte lediglich eine Innenbegehung ggf. mit systematischer Bauuntersuchung liefern.
Nutzungsgeschichte
Mindestens seit 1806 bis 1824 ist der Taglöhner Scherer Eigentümer des Hauses. In den folgenden Jahrzehnten sind ohne Unterbrechung Rebleute als Eigentümer nachgewiesen. 1877 avanciert der noch im Vorjahr als „Rebmann“ geführte Konrad Maier zum Landwirt. Noch bis 1881 nutzt ein Landwirt das Gebäude, bis schließlich vorübergehend eine Viktualienhandlung eingerichtet wird. Später wird das Gebäude überwiegend als Wohnhaus genutzt.
Bewertung
Gerade durch seine schlichte, einfache Gestalt ist das Haus Lorettostraße 14 ein besonderes Zeugnis und Kulturdenkmal der ländlichen Vergangenheit der Wiehre und als solches in hohem Maße erhaltenswürdig. Der augenfällige Gegensatz zu Größe und Gestalt der östlich angrenzenden Jahrhundertwendebauten erlaubt einen plastischen Vergleich der Bauformen und visualisiert in sehr anschaulicher Form die Entwicklung im 19. Jahrhundert vom Dorf zur Stadt.
Es ist zu bedauern, dass der immer stärker werdende Finanzdruck und andere vermeintliche Sachzwänge dazu führen, dass sich der in vielen Stadtbereichen ohnehin schon stark geschrumpfte Bestand an Baudenkmälern stetig weiter verringert. Wie aktuelle Beispiele zeigen, bietet nicht einmal der Denkmalstatus eines Gebäudes oder die Tatsache, dass es sich um ein letztes Exemplar einer bestimmten Bauepoche handelt, einen verlässlichen Schutz vor Abriss (Wirtshaus zu Amerika, Ratsstüble, Dreikönigshaus). Städtische Behörden und Denkmalämter sollten sich hier klarer positionieren und Strategien entwickeln, die ein weiteres Dezimieren historischer Baubestände verhindern. Das Haus Lorettostraße 14 böte hierzu Gelegenheit.
Joachim Scheck
Lorettostraße 14: Ein stadtgeschichtliches Zeugnis
Wohl noch nachprüfbar ist, dass früher das Treppenhaus zum Hof offen war und erst später mit einer Wand verschlossen wurde. Nur bei Erhalt solcher Kulturdenkmale bzw. stadtgeschichtlichen Zeugnisse kann man sich ein Bild von früherem Leben und vergangenen Zeiten machen. Beim Denkmalschutz gelten Kriterien, die nicht alle von Bürgern einsichtig sind. So gilt häufig das Alter bei der Beurteilung eine geringere Rolle als dies der Bürger glaubt. Dagegen werden die im Zeitablauf eingetretenen Veränderungen meist stark negativ bewertet auch wenn sie erkennbar und nachvollziehbar sind. Die Denkmalpflege betrachtet – von Ausnahmen abgesehen – stets das gesamte Objekt. Das Erscheinungsbild der Lorettostraße 14 ist ein wichtiges stadtgeschichtliches Zeugnis des Dorfes Adelhausen vor der Gründerzeitwelle. Ob das Gebäude im Innern im Zeitablauf erheblich verändert wurde, ist unbekannt. Die Entscheidung der Unteren Denkmalschutzbehörde über die Denkmaleigenschaft der Lorettostraße 14 ist noch nicht bekannt. Freiburg verliert seit Jahrzehnten immer wieder Kulturdenkmale und stadtgeschichtliche Zeugnisse. Kulturdenkmale genießen Schutz durch das Denkmalschutzgesetz. Bei stadtgeschichtlichen Zeugnissen hängt es teilweise davon ab, ob eine Stadt dieses Zeugnis für wichtig hält oder nicht. Viele Menschen bewundern in Griechenland und in Italien die Reste der Vergangenheit. Nach unserer Auffassung sind stadtgeschichtliche Zeugnisse wichtig für eine Gesellschaft.
Wir würden uns freuen, wenn dieses stadtgeschichtliche Zeugnis erhalten werden könnte.
Dr. Hermann Hein
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft  Freiburger Stadtbild e.V.