Das Gesicht der Wiehre wahren
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Das ist Motto einer Vortragsveranstaltung, welche die beiden Bürgervereine der Wiehre am Mittwoch, den 31. Mai 2017  ausrichten wollen.
Was bewegt die Bürgervereine zu einer solchen Veranstaltung?
Anlässe dafür gibt es im Stadtteil zuhauf:
Ein Bauträger will ein Haus in der Erwinstraße abreißen und ohne erkennbare Rücksicht auf die Nachbarn eine größtmögliche Nutzung verwirklichen. Dass in der Wiehre in aller Regel geneigte Dächer vorhanden sind, interessiert ihn offensichtlich nicht. Sein Ziel ist ein Flachdach mit fünf Geschossen, damit sich auch eine Tiefgarage rentiert.
Im Bereich des Gasthofes „Schützen“ sollen Wohngebäude realisiert werden an einem Standort, dessen Besonderheit mit dem Ensemble von Maria-Hilf-Kirche, Lycée Turenne und alter Wiehrebebauung unbedingt architektonisch qualitativ hochwertig aufgenommen werden sollte. Auch hier sind die bekannt gewordenen Bauideen alles andere als dem Standort angemessen zu beschreiben.
Im Bereich der Angellschule sind Überlegungen im Gange, das rückliegende Zentralgebäude aufzustocken, ohne Rücksicht auf die Eigentümer der Wohnbebauung der Hummelstraße, die damit eine erhebliche Beeinträchtigung für ihr Eigentum befürchten.
In der Kirchstraße wurde ein Teil des Hofes des ehemaligen der Stadt gehörenden alten Feuerwehrhauses für die Schaffung von drei Wohnungen seitens der Stadt verhökert und damit eine alternative Nutzung v.a. der ehemaligen Feuerwehrhalle für Kultur, Kreatives, Engagiertes praktisch unmöglich gemacht.
In der Erzherzogstraße ist ein kleines Mehrfamilienhaus verkauft worden. Der neue Besitzer will das Haus abreißen und das Grundstück erheblich stärker ausnutzen.
Die Zahl der Beispiele ließe sich fortsetzen.
Die Bürgervereine sind inzwischen genervt, weil privater und städtischer Egoismus immer stärker um sich greift und keine vorausschauenden, langlebigen und ausgewogenen Kompromisse erkennbar werden.
Wo bleibt die berufliche Ethik und Verantwortung der Architekten, städtebaulich wirksame Stadtgestaltung zu betreiben? Es kann doch nicht sein, dass nur noch entsprechend der wirtschaftlichen Interessen der Investoren Baukörper als langweilige Schachteln in das gerade in der Wiehre sensible Gefüge mit vielen Altbauten gesetzt werden. Die Bürger der Wiehre fangen an, sich zu wehren. So kann die Abwertung des Stadtteils auf Dauer nicht weitergehen.
Wann endlich begreifen Bauträger und ihre Architekten, dass gerade sie eine besondere Verantwortung für eine Stadt haben dadurch, dass sie letztlich mit ihren Bauten für ein Wohlfühlen in der Stadt sorgen, dass sie nicht zuletzt durch eine qualifizierte Architektur der neuen Baukörper im Bestand das Gesicht der Stadt maßgeblich auf Jahrhunderte prägen? Bauliche Rücksichtslosigkeit wertet das Gesamtbild der Stadt ab. Die Beispiele in Freiburg nehmen dafür rapid zu. Egoistische, eigenmächtige Manifestationen an Architektur wachsen vermehrt aus dem Boden. Wo bleibt eine ordnende Gestaltungskraft, die diesem städtebaulichen Wildwuchs Einhalt gebietet?
Seit einigen Jahren ist in Freiburg ein Gestaltungsbeirat tätig, besetzt mit qualifizierten, nicht mit Freiburg verbandelten Architekten, die mit dem Blick von außen versuchen, das Baugeschehen der Stadt beratend zu begleiten. Manche architektonische Sünden konnten inzwischen schon vermieden werden, in anderen Fällen waren die Investoren nicht bereit, Empfehlungen dieses Gremiums zu folgen oder sie wenigstens teilweise in ihre baulichen Überlegungen einzuarbeiten. Dieses Gebaren ist befremdlich und zeigt eben die Rücksichtslosigkeit rein finanzwirtschaftlicher Interessenswaltung, statt baulicher Maßnahmen, die sich auch dem Wohl der städtebaulichen Gesamtorientierung stärker zuwenden.
Im Hinblick auf diese für Freiburg unwürdige Situation haben die Bürgervereine der Wiehre sich umgesehen und in Heidelberg einen Ansatz gefunden, der vielleicht im gemeinsamen Vorgehen bei der Bebauung in Gründerzeit-Stadtteilen mehr Erfolg verspricht. In Heidelberg beginnt man, mittels Stadtteilsatzungen dem Investoren-Wildwuchs ordnend zu begegnen.
Frau Annette Friedrich, Leiterin des Stadtplanungsamtes Heidelberg, wird in der oben genannten Vortragsveranstaltung über Ihre ersten Erfahrungen mit derartigen neuen
Instrumenten der Stadtgestaltung berichten. Wir freuen uns auf den vielversprechenden Input und eine anschließende interessante und faire Diskussion und laden interessierte Bürgerinnen und Bürger zu dieser Veranstaltung herzlich ein.
 Klaus Füsslin